Gesinnungs-Polizei im Rechtsstaat?
Der Verfassungsschutz als Erfüllungsgehilfe der Politik
Sechs Fallstudien
von Mathias Brodkorb

Eine Besprechung von Michael Mansion

Der Autor kommt eigentlich aus dem Bereich der Philosophie und verweist im Vorwort auf die Brisanz seiner dem Thema geschuldeten juristischen Einlassungen, die er hinsichtlich ihrer Stichhaltigkeit von ausgewiesenen Juristen hat prüfen lassen.

Was ist der Verfassungsschutz?

Mit dem Hinweis auf die im europäischen Umfeld zu konstatierende Einmaligkeit eines Verfassungsschutzes mit zugehöriger Behörde, verweist Mathias Brodkob (folgend M.B.) auf die sehr spezielle Nachkriegssituation Deutschlands mit seiner von ehemaligen NS-Parteigängern durchsetzten Verwaltung als einem Faktor, der heute als nicht mehr existent gesehen werden kann. Zudem sei die Demokratie trotz aller Herausforderungen nicht so gefährdet, dass dieser paternalistische deutsche Sonderweg zu rechtfertigen sei.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) begreife sich als eine Behörde, deren Aufgabe es ist, Demokratiefeinde ausfindig zu machen. Methodisch agiert er in einem Vorfeld von Verdachtsmomenten, wodurch eine Atmosphäre universellen Verdachts entsteht, indem gänzlich unbescholtene Bürgerinnen und Bürger durch Kontakte zu vermeintlich verdächtigen Personen in den Zustand einer „Kontaktschuld“ geraten können.

Damit stehen nicht mehr nur rechtswidrige Handlungen im Focus, sondern sogenannte „antidemokratische Bestrebungen“. Der Autor spricht an dieser Stelle von sicherheitspolitischen Geisterfahrern.

Ermittlungen des Verfassungsschutzes

Im Umfeld der Ermittlungen des Verfassungsschutzes (folgend BfV u.VS) werden kritische Haltungen zu Verschwörungen, die sich gegen das Gemeinwohl richten und als intellektueller Defekt gedeutet werden, der perfide Pläne schmiedet.

Der Autor unterstellt dem VS anhand der aufgeführten Fallstudien in einer ganzen Reihe von Fällen ein manipulatives Vorgehen außerhalb jeder rechtsstaatlichen Praxis!

Schon eine robust formulierte Kritik könne in einen Beobachtungsfall münden.

M.B. kritisiert die mehrheitlich unklaren Begrifflichkeiten, die Verdachtsmomente begründen. Ein präventiver Demokratieschutz werde so zum Kampfinstrument des Staates gegen seine kritischen Bürger.

Da der VS über keine juristischen Machtmittel verfügt, ist er bestrebt, aus bloßen Indizien auf Bestrebungen zu schließen. Es reicht in solchen Fällen der „begründete Verdacht“, womit dieser – so der Autor – zum Geschäftsmodell werde.

Der „politische Pranger des Informationszeitalters“

Eine Waffe des VS sei sein jährlicher Bericht gemäß § 16 des Bundesverfassungsschutz-Gesetzes, mit dem er wertend Stellung bezieht. Auftrag und Arbeitsweise des BfV beschreiben dabei den Strukturwandel, der in der Öffentlichkeit stattgefunden hat und setzen behördliche Standards, die zu sozialer Isolation und Rufschädigung führen können.

Der Verfassungsrechtler Dietrich Murswiek spricht von einem „politischen Pranger des Informationszeitalters“ oder einem Schandpfahl der aufgeklärten demokratischen Gesellschaft. Dabei haben die inkriminierten Personen nicht einmal das Recht, vollumfänglich Einsicht in die sie belastenden Akten zu nehmen.

M.B. spricht von einer innerstaatlichen Feinderklärung, der es um die Isolierung von Personen und Gruppen gehe. Es gelte die Maßgabe, dass man mit Feinden nicht diskutiere.

Indem das BfV solche Berichte öffentlich macht, kann es gegen „Feinde“ mobilisieren.

Es entsteht dabei die Erwartung, dass sich der Souverän an dieser innerstaatlichen Feindsetzung beteiligt.

Unter Dienstbarmachung der öffentlich-rechtlichen Medien werden Bürger prozesshaft-propagandistisch einbezogen (siehe: „Kampf gegen rechts“).

Prüffall, Verdachtsfall und „gesichert extremistisch“

Im Vokabular zwischen Prüffall, Verdachtsfall und „gesichert extremistisch“, entsteht eine sich potenzierende Überwachungsstrategie, deren unklare Begriffsstruktur den Prozess begünstigt.

In diesem begrifflich diffusen Umfeld entsteht der staatliche Versuch, bereits Gedanken kontrollieren zu wollen, was allerdings ein Merkmal totalitärer Staaten ist.

Die Schwelle zum Extremismus wird erst durch Taten überschritten, die geeignet sind, die freiheitlich-demokratische Grundordnung (f.d. G.O) zu gefährden.

Sogar der politische Radikalismus ist in diesen Grenzen durch das Grundgesetz (GG) geschützt. Einen als „fließend“ unterstellten Übergang zum Extremismus gibt es nicht!

M.B. sieht das Problem dort, wo der VS mit seinen Vermutungen zu einer mangelnden Verfassungstreue bereits einen latenten Extremismus unterstellt. Dadurch entfällt die erforderliche Trennschärfe zwischen radikal und extremistisch.

„Unabhängigkeit“ des Verfassungsschutzes führt zum Angriff auf die Meinungsfreiheit

Da der VS dienstrechtlich unmittelbar mit dem Innenministerium verbunden ist, darf ihm eine politische Lenkungsfunktion unterstellt werden. Von den politischen Beamten darf angenommen werden, dass sie „in der Spur“ gehen. Die Besetzung von Leitungsfunktionen erfolgt nach einer politischen Kleiderordnung und eher nicht nach Sach- oder Fachverstand.
Damit kann der VS nicht zum Schutz der Verfassung beitragen, sondern er betreibt einen Angriff auf die Meinungsfreiheit!

Rechtsbruch unter staatlicher Verantwortung paart sich mit begrifflichen Unzulänglichkeiten und transportiert zudem die weltanschaulichen Präferenzen der Behördenmitarbeiter.

Fallstudien zu nicht verfassungskonformen Besonderheiten

In seinen Fallstudien beschäftigt sich der Autor mit einigen nicht verfassungskonformen Besonderheiten personenbezogener Ermittlungen zu Personen des öffentlichen Lebens durch das BfV, die in haltlose Beschuldigungen und umfängliche Rechtsstreitigkeiten mündeten.

Interessant sind die Erfahrungen des Rechtsanwaltes und ehemaligen Bürgerrechtlers Rolf Gössner, dem der VS durch seine Kontakte zur DKP, zur Tageszeitung Neues Deutschland und zur Zeitung Junge Welt eine Unterstützung linksextremistischer Kreise unterstellte, was Gössner bestritt, aber der VS verweigerte eine umfängliche Auskunft hierzu. Gössner klagte über drei Instanzen insgesamt 15 Jahre lang und gewann alle drei Verfahren. Dass keine belastbaren Fakten gefunden wurden, wertete der VS dann als Verschleierungstaktik Gössners.

Von Signalwörtern zur Schuld

Typisch für die Arbeit des VS ist dessen Verhältnis zu Signalwörtern, mit denen er eine ideologische Nähe evoziert. Selbst ein Begriff wie „tiefgreifende Veränderung“ wird so zum Codewort für eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft. Aus Kontaktschuld wird Konsensschuld. Im Falle Gössner ging der VS so weit, Revision mit der Begründung zu beantragen, das Gericht habe Gössners Äußerungen in einem für diesen günstigen Sinn interpretiert, womit die Richter im Grunde der Kollaboration bezichtigt wurden.

Noch fünf Jahre nach dem Urteil zugunsten Gössners, nannten ehemalige Verfassungsschützer wie Thomas Grumke und Rudolf van Hüllen, Gössner einen intellektuellen Extremisten, dem eine justizielle Reinwaschung zugutegekommen sei.

Unterstellungen ohne Beweisführung

Der Autor hat einen eher amüsierten Blick auf den verschlafenen Ort Schnellroda und das Institut für Staatspolitik (IfS), bewegen sich die Fronten in dieser sachsen-anhaltlichen Idylle doch zwischen einem vernichtenden Urteil zu einer „Keimzelle von Hass und Gewalt“ und einem eher intellektuellen Anspruch der Macher, im Umfeld von Götz Kubitschek und dem politisch-literarischen Journal Sezession.

In den Unterlagen des VS (hierzu) findet sich derweil nichts, was auf relevante geheimdienstliche Erkenntnisse schließen lässt. Es wimmelt allerdings von Unterstellungen ohne Beweisführung. Unterstellt wird z.B. ein Führerkult, sowie die Forderung nach einer rassisch-ethnischen Volksgemeinschaft,- wenngleich – ohne Beleg.

Kritik als Angriff auf die Demokratie

Ein vermeintlicher Antiparlamentarismus wird als Strategie insinuiert, was als Verletzung des Demokratieprinzips gewertet wird. Auch Äußerungen, die eine moralische Diffamierung Andersdenkender beklagen und in Wahlen keine ausreichende demokratische Substanz mehr sehen, gelten für den VS als demokratiefeindlich.
Berechtigte Kritik wird so als Angriff auf die Demokratie gewertet. Selbst wissenschaftliche Arbeiten geraten unter Verdacht und dies selbst dann, wenn Säulenheilige wie Max Weber zitiert werden.

Antisemitismues und das BfV

Besonders problematisch ist die aktuelle Antisemitismus-Deutung des BfV, da sie mit der ihr zukommenden ethno-rassistischen Grundlage nichts mehr zu tun hat. Schon eine „Abwehrhaltung gegenüber Ereignissen, die 70 Jahre zurückliegen“ wird als Antisemitismus gewertet. Man spricht in diesem Fall von einem sekundären Antisemitismus.

Auch wer keinen wesentlichen Unterschied zwischen Stalin, Hitler, Mao und Pol Pot gelten lassen will, gilt als Verfassungsfeind, obschon damit ja nicht das Leiden der europäischen Juden geleugnet wird.

Dem Umfeld von Schnellroda unterstellt M.B. dagegen eine umfängliche Hochachtung vor dem jüdischen Volk auf gleich mehreren Ebenen.

Der Volksbegriff

Ein weiteres Beispiel im Rahmen der Fallstudien des Autors ist die Journalistin Carolin Sommerfeld, bei welcher der VS innerhalb von Satzketten Signalwörter ausfindig macht und isoliert. Sommerfelds Begründungen fußen aber nachweislich und mehrheitlich auf Max Weber. Der VS begreife oder wolle nicht begreifen, dass Hitler das Staatsvolk mit der arischen Rasse gleichsetzen wollte und unterstelle den als „Rechten“ markierten Kritikern die Absicht, eine „homogene Volksgemeinschaft“ zu konstituieren, was C. Sommerfeld klar ablehnt. Das wichtigste hermeneutische Instrument des VS – so der Autor – sei die freie Assoziation. Es wird eine Lesart favorisiert, bei der die gewünschten Ergebnisse herauskommen.

M.B. geht davon aus, dass die Wurzel des Streites im Volksbegriff begründet liegt. Das BfV sieht bereits einen Verstoß gegen die Menschenwürde, wenn zwischen kulturell unterschiedlichen Gruppen bloß gedanklich unterschieden wird. Dabei ist nicht uninteressant, dass das Bundes-Innenministerium ein millionenschweres Programm zur Förderung der ethnokulturellen Identität von Auslandsdeutschen betreibt. Auch das Bundes-Vertriebenengesetz (BVFG) unterscheidet zwischen deutschen Staatszugehörigen und deutschen Volkszugehörigen. Dabei wird die Volkszugehörigkeit ausdrücklich ethno-kulturell begründet. M.B. unterstellt hier eine unterschiedliche Rechtsauslegung durch die Gerichte und spricht von Fehlinterpretationen.

Das wird in besonderer Weise am Fall des in Ungnade gefallenen Wissenschaftlers Martin Wagener deutlich, dessen kritische Anmerkungen, etwa zu den Langzeitfolgen einer vornehmlich muslimisch dominierten Migration mit einem vollständig anderen Gesellschaftsbild, den VS auf den Plan gerufen hat.

Nicht-veröffentlichtes Gutachten

Prof. Wagener unterstellt dem BfV „gelenkte Gefälligkeiten gegen unliebsame politische Gegner“. Nach dem Erscheinen seines Buches „Kulturkampf um das Volk“, legte der VS dem BND ein gegen Wagener gerichtetes Gutachten vor, woraufhin der BND im Oktober 2021 dessen Sicherheitsfreigabe (Wagener unterrichtete im Bereich politische Wissenschaft) „ruhend“ stellte. Dabei liegt das besagte Gutachten bis heute weder ihm selbst vor, noch ist der BND bereit, es zu veröffentlichen.

Mittlerweile liegen zwei Gutachten, sowohl vom Verfassungsrechtler Dietrich Murswiek, als auch vom Staatsrechtler Gerd Morgenthaler vor, die Wagener eine exakte Definition des Staatsvolk-Begriffes bescheinigen. M.B. weist darauf hin, dass es Wagener im Grunde um die Ablehnung einer multikulturellen Gesellschaft geht, die das GG ja auch an keiner Stelle verpflichtend vorsieht. Ebenso wenig wie die Erteilung der Staatsbürgerschaft an Jedermann.

Deshalb seien die gegen Wagener gerichteten Maßnahmen ein sehr schwerwiegender Eingriff in die Freiheit der Lehre und damit ein Verstoß gegen die Verfassung.

Hier sei vor allem die unkenntlich gewordene Begriffsbildung ein grundsätzliches Element des Kulturkampfes.

Von kulturell zum biologischen Rassismus

Problematisch sei, dass das BfV den Begriff ethnisch nicht kulturell, sondern als Chiffre für biologisch/rassistisch verstanden wissen will. Ethnisch-kulturell definiert man beim VS wiederum als völkisch, weshalb man einer Beschuldigung nicht entgehen kann.

Wagener spricht in diesem Zusammenhang von der Betonwand einer Zivilreligion.

Stoff für gleich mehrere wissenschaftliche Arbeiten könnte nach Ansicht des Autors der Fall AfD hergeben. Dietrich Murswiek sieht hier keine verfassungsfeindlichen Fakten belegt, macht aber einen Unterschied zwischen Verfassungsfeindlichkeit und Verstößen gegen die Verfassung, was juristisch plausibel ist.

Das bislang unveröffentlichte Gutachten Murswieks böte die Gelegenheit, dessen Bewertung mit der Argumentation des Verwaltungsgerichtes (VG) in Köln zu vergleichen. Interessant sei in diesem Zusammenhang vor allem die Zusammensetzung der inkriminierten Äußerungen aus den Reihen der AfD, die nur in wenigen Fällen und selbst dann nur auf Messers Schneide kritikwürdig sind.

Börn Höcke und seine Gesellschaftskritik

Bemerkenswert ist ein Hinweis des Autors auf die Reizfigur Björn Höcke, der in seiner Gesellschaftskritik ein zentrales Problem aufgreift, indem er auf die Elemente zunehmender Deregulierung und Privatisierung verweist und hier tendenziell eine Auflösung bewährter Ordnungsstrukturen sieht. Der VS unterstellt ihm hier eine radikale Kritik der industriellen Moderne, obwohl dies nicht zuletzt immer auch eine Kritik linker Sozialwissenschaftler war und ist.

Dass das BfV eine Islamkritik, die Muslimen eine kulturelle Gewaltaffinität unterstellt, als Verletzung der Menschenwürde behandelt, ist, wohlmeinend, Ausdruck von Unwissenheit und weniger wohlmeinend eine antiaufklärerische Verleumdung, die nicht nur eine moralisch aufgeladene Minderheitendebatte beschreibt, sondern Ausdruck einer Verweigerung wissenschaftlich gesicherter Fakten und Standards ist.

Die Crux des Ganzen

M.B. sieht die Crux des Ganzen, bisweilen seltsam anmutenden Geschehens, im Streit um den ethnischen Volksbegriff begründet. Er taucht immer wieder dort auf, wo sich die zentrale Agenda (Multikulturalismus) bedroht sieht und die Kritiker reflexhaft als Rassisten denunziert. Auch die Ideologiebereiche Islam, Fremdenfeindlichkeit, sowie Demokratie und Rechtsstaat werden durch ihn gesteuert.

M.B. verweist mehrfach auf gesellschaftskritische Äußerungen von „Rechts“, die (zumindest noch in den 80er und 90er Jahren) auch von „Links“ hätten kommen können. Dies vor allem dort, wo der Prozess der Globalisierung eine kulturelle Verflüssigung bisheriger Nationalkulturen befördert, was ihre kulturelle Identität tangiert.

Es sei nicht die Identitätslosigkeit der Zuwanderer, die den Konservativen Sorgen bereite, sondern die (zunehmend) eigene.

Fehlende Verpflichtungen und Verstoß gegen das Neutralitätsgebot

Der Autor verweist berechtigt auf die im GG fehlende Verpflichtung, Einwanderung und Einbürgerung zu begünstigen oder gar eine multikulturelle Gesellschaft befördern zu müssen. Es sei zudem erstaunlich, wenn deutsche Richter bereits bloße gedanklich geäußerte Unterschiede zwischen rechtlich definiertem Staatsvolk auf der einen und kulturell-politischer Identität auf der anderen Seite, als Verstoß gegen die Verfassung werten.

Wenn der Präsident des Inlandsgeheimdienstes in einer Talk-Runde insinuiert, es müsse alles getan werden, um eine Regierungsbeteiligung der AfD zu verunmöglichen, dann verstößt er gegen das beamtenrechtliche Neutralitäts und Mäßigungsgebot (Volker Boehme-Neßler).

Die Einmischung des Geheimdienstes in die politische Arbeit und den parteipolitischen Wettbewerb, sei Ausdruck von Scheindemokratie wie in autoritären Staaten.

Das Grundgesetz (GG) kennt keinen Gesinnungsgehorsam der Staatsbürger.

„Verschwörungstheoretiker“ in der Corona.Zeit

Im Rekurs auf die Corona-Zeit verweist M.B. auf die Unfähigkeit des BfV, wie gefordert eine Definition des Begriffes „Verschwörungstheoretiker“ zu liefern und der Verfassungsrechtler Jürgen Papier übte scharfe Kritik an den damals verhängten Einschränkungen der Grundrechte.

Wenn selbst die Spendensammler nach der Flutkatastrophe im Ahrtal sich dem Vorwurf des VS ausgesetzt sehen, ihre Haltung delegitimiere das Vertrauen in staatliche Stellen, dann wird erkennbar, welcher Irrweg hier eingeschlagen wurde. M.B. unterstellt dem VS, er verwechsele Kritik an der Regierung mit Kritik an der Demokratie.

Voraussetzungen für ein Denunziantensystem im Sinne einer Volkserziehung

Für außerordentlich brisant hält der Autor die Entwicklung um den Paragraphen 130 (Volksverhetzung). Seit 1871 habe er sich zu einem Monstrum entwickelt, dessen diffus-begriffliche Argumentation für eine Beschuldigung nach Lage der (erwünschten) Dinge stehe.

Das schaffe die Voraussetzungen für ein Denunziantensystem, in das sich auch die neuen „Meldestellen“ (trustet flagger) in vorgeblicher Abwehr gegen Hass und Hetze einreihen, was Orwellsche Dimensionen aufweist.

Ralf Poscher (Direktor der Abteilung Öffentliches Recht am Max Planck-Institut) verweist auf das Bestreben des BfV, zu einer pädagogischen Einrichtung in Sachen Volkserziehung zu werden und führt die möglich gewordene Einflussnahme durch eine Beobachtung von Schülern und Studenten an.

Dietrich Murswiek macht darauf aufmerksam, dass es das Bundesverfassungsschutzgesetzt zulasse, dass der Inlandsgeheimdienst personenbezogene Erkenntnisse „zur wissenschaftlichen Erforschung und Bewertung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen und Tätigkeiten“ an nicht öffentliche Stellen übermittelt. Damit könne sich das BfV zu einem Lieferanten von Informationen an NGOs oder Medien entwickeln.

Der Autor kommt zu dem Schluss, dass sich die Behörde weder angemessen eingrenzen lässt, weil dazu der politische Wille fehlt, noch bestehe die Hoffnung auf eine innere Reform.

Die Auslagerung des politischen Diskurses an den VS bleibe für die Demokratie nicht folgenlos, weshalb die Auflösung des BfV eine logische Konsequenz wäre.

Ein wichtiges Buch, das einen bedeutsamen Beitrag zum Verständnis der aktuellen politischen Zustände in Deutschland liefert.

Das Buch ist im Verlag zu Klampen erschienen (hardcover) und hat ein Geleitwort von Prof. Dr. Volker Boehme-Neßler, sowie ein Vorwort des Verfassers.

Gliederung in 9 Kapitel / Seitenzahl 216 (mit den Anmerkungen 248)