Die Moralapostel
Zerstörung eines Exportweltmeisters
von Fritz Söllner
Eine Besprechung von Michael Mansion
Professor Dr. Fritz Söllner ist ein Finanzwissenschaftler, der mit den Themen Migrationspolitik, Umweltökonomie und Geschichte des ökonomischen Denkens eine Reihe gesellschaftlich aktueller Schwerpunkte bedient. Er ist Mitglied des Vereins Socialpolitik der Hayek-Gesellschaft und des Netzwerkes Wissenschaftsfreiheit.
In seinem Vorwort verweist er auf die verflossene Ampel-Regierung, deren Schwerpunkte er vor dem Hintergrund einer politischen Praxis beleuchtet, die moralische Werte als den ökonomischen Interessen übergeordnet begreift.
Freiheit, Demokratie und Gleichheit in Eintracht mit einer feministischen Außenpolitik begründen dabei das Wesen „unserer Werte“ im Verständnis einer globalen Agenda.
Politischer Moralismus – eine Instrumentalisierung
Der Autor verweist auf die inhaltliche Struktur des Buches, welches die Hintergründe von politischem Moralismus und Gesinnungsethik als politische Instrumente in Erscheinung treten lässt.
Dabei erfährt Moral eine Instrumentalisierung und Ideologisierung im Sinne eines kulturellen Hegemons, der die öffentliche Meinung formt und unerwünschte Diskurse durch moralisch begründete Abwehr zurückweist. Die Moral als axiomatische Regel setzt den Maßstab eines Absoluten, nicht mehr Hinterfragbaren. Jeder Widerspruch ist unmoralisch.
Das begünstige eine Vergiftung des politischen Klimas, was sich auf die Leistungsfähigkeit des Systems auswirkt. Zugleich führt die politische Wertemoral dazu, dass eine explizit interessengeleitete Politik verpönt ist. Im Falle der USA sei das allerdings so, dass man nicht nach dem Prinzip „Werte statt Interessen“, sondern „Werte als Interessen“ verfahre und dies gelegentlich auch als Wegweiser für „humanitäre Interventionen“ nutze. Der Werte- und Demokratie-Export werde so zu einem Machtmittel und Söllner zitiert Huntingtons Vorwurf eines „Menschenrechtsimperialismus“.
Die EU ihrerseits übt moralischen Druck auf die Mitgliedsstaaten aus, wobei die Dogmen der angesagten Identitätspolitik zu europäischen Werten verklärt werden.
Söllner verweist darauf, dass ein Ausgleich von Interessen immer möglich ist, ein Ausgleich von Werten allerdings nicht. Henry Kissinger habe einmal darauf verweisen, dass das Weltenrechtsprinzip bei gleichzeitiger Aushöhlung der nationalen Souveränität im Namen von „unseren Werten“ auf Dauer einen normalen diplomatischen Umgang der Staaten miteinander unmöglich mache.
Der dem Moralismus eigene Konflikt
kann nur aufgelöst werden, wenn Werte nur als Mittel zum Zweck, also der Verfolgung von Interessen dienen.
Interessant ist der Hinweis des Autors auf die Einführung des Euro als vorrangigem Ausdruck einer europafreundlichen Gesinnung gegen alle ökonomischen Bedenken.
An zweiter Stelle stehe das Erneuerbare Energien-Gesetz und den endgültigen Siegeszug der Moral habe die Krisenpolitik in Gestalt der Euro-Flüchtlings-Corona und Ukraine-Krise angetreten.
Notwendig sachliche politische Auseinandersetzungen werden mehr und mehr durch emotionale Appelle an Werte und Ideale, sowie durch Attacken auf die Moral des politischen Gegners ersetzt.
Das alles mache Deutschland zum leichten Opfer interessenbewusster Länder.
Dass sich dabei vor allem in Deutschland der moralische Universalismus mit einem Egalitarismus verbindet, sieht der Autor als ein zentrales Problem.
Hierbei gehe es nämlich gar nicht um das klassische Verständnis von Gleichberechtigung, sondern um die Gleichberechtigung von allen Interessen und Lebensmodellen, die als Anspruchsrechte proklamiert werden. Ungleichheit wird dabei als Systemproblem definiert und Gleichheit werde zum Glaubensgrundsatz eines Neo-Sozialismus, aber ohne Ökonomie-Kritik.
Besonders problematisch werde es dann, wenn eine universalistische Moral mit einer anderen, sich universalistisch verstehenden Moral (z.B. Islam) zusammentrifft.
Die vor allem von den Vertretern der deutschen politischen Klasse favorisierte universalistisch- egalitäre Moral, sieht der Autor vor allem im Bereich einer wertebasierten Außenpolitik kritisch und spricht von einer „Missionsarbeit“ vor allem in den Bereichen Migration, Klima, Gender und Feminismus. Im schlimmsten Falle werden dann auch Kriege um Werte geführt, was im Ukraine-Krieg offenbar der Fall sei.
Ein Paradebeispiel für universalistischen Egalitarismus sei der UN-Migrationspakt,
was zwangsläufig zu offenen Grenzen führe. Die sich daran anknüpfende Vorstellung einer Gleichbehandlung aller Migranten ermöglicht deren ungehinderten Zugang zu Sozialleistungen bei offiziell gleichzeitiger Beschwörung eines vermeintlichen Vorteils für das Land. Eine Diskussion darüber ist nicht erwünscht und gilt als rechte Hetze.
Der Autor verweist auf den Fakt, dass sowohl der UN-Flüchtlingspakt, als auch der UN-Migrationspakt den Charakter von Appellen haben und rechtlich nicht bindend sind.
Allerdings etabliere der Migrationspakt eine ganze Reihe von neuen Rechten und Ansprüchen für alle Migranten. Die Verhandlungen hierzu wurden vor allem von Deutschland vorangetrieben und mündeten in den von Angela Merkel in Marrakesch selbst unterschiebenen Migrationspakt vom 11. Dez. 2018. Mit seiner Hilfe sollen Prinzipien durchgesetzt werden, die auf eine Unterordnung der Interessen der Bevölkerung der Zielländer hinauslaufen und eine „westliche Willkommenskultur“ proklamieren.
Förderung der Migration und „feministische Außenpolitik“
Migration wird als Quelle des Wohlstandes, der Innovation und einer nachhaltigen Entwicklung bezeichnet. Eine Differenzierung findet nicht statt. Es gehe – so der Autor – eher darum, Migration zu fördern.
Damit einher geht ein umfängliches Paket von juristischen, medizinischen und psychologischen Hilfen und Anreizen. Söllner sieht hier insgesamt auch eine Begünstigung des Schleuserwesens am Werk. Die Unterzeichnerstaaten hatten sich zudem dazu verpflichtet, die Migration medial positiv zu begleiten. Dabei sollten finanzielle und rechtliche Sanktionen gegen missliebige Medien eingesetzt werden. Ziel des Paktes ist nicht die Verhinderung irregulärer Migration, sondern deren Wandlung in reguläre. Die Interessen der einheimischen Bevölkerung werden ignoriert. Zwar werde nationale Souveränität postuliert, aber abschwächend wird auf eine Übereinstimmung mit dem Völkerrecht verwiesen. Deutschland und die EU proklamieren deshalb auch weiterhin die wesentlichen Inhalte des Pakts als „moralisch geboten und nicht verhandelbar“.
Söllner widmet der feministischen Außenpolitik eine besondere Betrachtung und bescheinigt ihr neben einem beträchtlichen Grad von Verworrenheit auch definitorische Unklarheit, wenn es etwa um „gefährdete Personengruppen“ geht.
Man darf gespannt sein, ob die großzügigen Projektmittel im AA nach dem Regierungswechsel auch weiterhin gendersensibel und gendertransformativ eingesetzt werden. Von Deutschlands Anmaßungen zur Durchsetzung der LGBTQ+-Strategie ganz zu schweigen.
Söllner merkt scherzhaft an, das Anforderungsprofil habe sich geändert. Die Chancen, als heterosexueller deutscher Mann ohne Migrationshintergrund gegen einen schwarzen, muslimischen Mann oder gar eine Transfrau zu bestehen, dürften gering sein. In die gleiche Richtung gehe das Vorhaben, „Angehörige unterrepräsentierter Gruppen“ gezielt anzuwerben und zu unterstützen. Die deutsche Außenpolitik habe so vom traditionellen Focus auf Wirtschaft und Sicherheit, einen Wechsel zu Werten und Moral erhalten, womit zugleich ein klarer Nachteil für die deutsche Industrie entstehe.
Es gehe ja auch nicht mehr primär um wirtschaftlichen Wohlstand, sondern um Umweltstandards und Nachhaltigkeit. Dabei soll die WTO an globalen Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtet werden.
Anspruch und Realität der EU-Standards
Söllner unterstellt, dass das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU deshalb auf Eis liegt. Es werde versucht, die USA zur Übernehme europäischer Standards zu nötigen, was man als anmaßend bezeichnen könne.
Mercosur-Abkommen und die Bauern
Dass der Autor der EU empfiehlt, das Mercosur-Abkommen möglichst schnell auf den Weg zu bringen, ist hinsichtlich einer Reihe möglicher Vorteile verständlich. Allerdings ist Brüssel eigentlich und trotz aller Anmaßungen von Fr. von der Leyen nur für den Binnenhandel verantwortlich. Es wäre auch ratsam, vielleicht mal die Landwirte zu fragen, was sie davon halten, wenn landwirtschaftliche Billigprodukte auf dem europäischen Markt landen. Die Franzosen haben geharnischten Protest angekündigt und Macron ist (vorerst) zurückgerudert.
Klar ist dagegen, dass der Habitus des Oberlehrers gegenüber dem Rest der Welt weder Deutschland noch der EU zusteht.
Neue Ausrichtung der Wirtschaftspolitik und das Lieferkettengesetz
Im Wirtschaftsbericht von 2022 stehen die Bedürfnisse der Exportwirtschaft nicht mehr im Vordergrund. Stattdessen aber Umwelt-Sozial und CO2-Standards im Einklang mit dem OECD-Konsens. Dabei wird der Ausschluss bestimmter Energieträger und Technologien dazu führen, dass entsprechendes Know-How verlorengeht, das möglicherweise wieder gebraucht wird.
Das sogenannte Lieferkenntengesetz als relativ neues Glied der Außenwirtschaftspolitik, hat vor allem die Importe im Auge, die mit den „Werten der Union“ kompatibel sein müssen, bei denen es um eine weltweite Durchsetzung geht.
Menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten sind durchaus zu begrüßen, geraten aber unter Druck, wenn sie von internationalen Partnern aufgrund einer anderen Gesetzeslage nicht akzeptiert werden. Das bringt deutsche Unternehmen in eine schwierige Lage, da die Sorgfaltspflichtenrichtlinie von ihnen ausführliche Berichte einfordert. Verstöße werden dabei mit bis zu 8 Mill. € Strafe geahndet.
Die neue Bundesregierung sieht dieses bürokratisch-monströse Projekt offenbar kritisch. Man wird sehen, ob hier ein (wünschenswertes) Streitpotential mit der EU angelegt ist.
Der Autor geht sehr sorgfältig auf die Fülle der Verordnungen und Vorschriften ein, die mit der Zielrichtung von Umwelt-Klima-Naturraum-Biodiversität und dem Schutz der indigenen Völker gesetzt werden. Es geht hier vor allem um die juristische Verpflichtung von Unternehmen, die einklagbar werden sollen, was ja aktuell schon erlebbar geworden ist.
Die Unternehmen werden darauf reagieren u.zw. mit dem Ziel des Eigenschutzes, was einige wirtschaftliche Engagements in „riskanten“ Ländern ausschließen wird. Das wird vermutlich auch zur Aufgabe von Produktionsstätten führen. Daraus ergeben sich auch Nachteile für die (meist) Schwellenländer, wo diese Produktionsbetriebe verhältnismäßig gute Löhne zahlen.
Der Autor bezweifelt das Gelingen des Moral-Projekts Lieferkettengesetzt, das in seiner paternalistisch-bevormundenden Werte-Außenpolitik die Unternehmen zu Erfüllungsverpflichteten einer ganz neuen Weltpolitik macht.
Klimapolitik: Kritik an Alarmismus und Kosten
Söllner hält eine Klimapolitik nicht für grundsätzlich falsch, gibt aber zu bedenken, dass die aufgeführten wissenschaftlichen Grundlagen beim Stand der Dinge nicht als absolut gesehen werden dürfen. Ein Abwarten sei genauso falsch wie ein Alarmismus, den er politisch auf dem Vormarsch sieht. Hier als „großes Vorbild“ und unabhängig von daraus resultierenden wirtschaftlichen Nachteilen zu agieren, hält er für wenig sinnvoll. Wie sich zeige, seien aktuell eher die Voraussetzungen für Erpressung geschaffen worden.
Die Zielvorgabe einer sogenannten Klimaneutralität soll ja über den „Green Deal“ der EU verwirklicht werden, wofür mehr als 100 Mrd. € bereitgestellt werden. Es wundert ein wenig, dass Söllner den Begriff einer Klimaneutralität nicht kritischer beleuchtet. Allerdings meint er, man solle sich eher an einen Begriff wie Emissionsreduktion halten, anstatt von Klimaschutz zu sprechen, zumal der Begriff Klimaschutz an sich unsinnig sei und er verweist hierbei auf die in der Diskussion ausgeblendeten natürlichen Ursachen des/eines Klimawandels.
Der Klimaschutz sei das goldene Kalb der Moralisten und werde zur Ersatzreligion durch eine apokalyptische Sprache. Die aktuelle Klima-Außenpolitik lasse erkennen, dass die bisherige Direktive unbeirrt fortgesetzt werde. Deutschland rühme sich dabei als großer Geber. Es werde eine Reduktionspolitik betrieben, die man auch anderen Ländern aufzwinge. Nutzen und Kosten werden dabei nicht abgewogen. Es entstehe eine sehr teure Symbolpolitik.
Sanktionen als moralische Begründung?
Söllner verweist hier auf eine besondere Interpretation der Menschenrechte durch die EU, mit der eine Sanktionspolitik begründet wird. Dabei habe sich der Trend, Sanktionen zu verhängen, beschleunigt. Ob das die in sie gesetzte Hoffnung erfüllt, ist zweifelhaft. Der Autor liefert hier ein differenziertes Bild ohne eindeutiges Pro oder Kontra.
Richtig ist wohl, dass Sanktionen nur dann wirkungsvoll sind, wenn sie nicht umgangen werden können, was internationale Solidarität voraussetzt. Eine Sanktionspolitik muss zudem ökonomisch rational sein. Sie darf also dem eigenen Land nicht schaden.
Schwierig ist eine unterschiedliche Gewichtung von Sanktionen auf der internationalen Bühne. Sind sie unilateral oder multilateral angelegt? Wer nimmt auf wen Rücksicht oder auch nicht? Welche Rolle spielt etwa das ökonomische Übergewicht der USA und die Abhängigkeit Deutschlands?
Der Ukraine-Krieg und die Russland-Sanktionen: Eine kritische Bilanz
Im Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland erwähnt Söllner die „weitergehenden Ziele“, die etwa von Annalena Baerbock oder von Fr. von der Leyen als Zerstörungsabsichten der russischen Industrie (ruinieren/zerschmettern/abtragen) vorgetragen wurden. Vom „Endsieg“ der Ukraine ist hier die Rede und nicht von Kompromissen. Gleichzeitig sind die Erfolgsaussichten sehr gering, auch weil die Sanktionen nur von einer Minderheit getragen werden. Dabei hält der Autor die Sanktionen von Rohstoffen für grundsätzlich problematisch, weil die Handelsströme in diesem Falle umgeleitet werden. Auch der Internationale Währungsfonds stellt die wirtschaftliche Lage Russlands eher optimistisch dar. Deutschland komme die Sanktionspolitik teuer zu stehen, ohne dass dies aber (aus moralischen Gründen) hinterfragt werden dürfe.
Man habe einen Wirtschaftskrieg gegen Russland begonnen, wie er seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr dagewesen sei. Dabei sei das Problem für Deutschland nicht so sehr die Ausfuhrbeschränkung von Waren nach Russland, sondern das Importverbot von russischer Energie. Söllner schätzt, dass der Deutschen Volkswirtschaft durch den Ukraine-Krieg und die Sanktionen gegen Russland in 2022 ein Schaden von ca. 175 Mrd. € an entgangener Wertschöpfung entstanden ist.
Die auch daraus resultierende Deindustrialisierung drohe nicht etwa, denn sie sei bereits im Gange.
Hausgemachte Krisen und die Rolle der USA
Söllner sagt aber auch, dass der Ukraine-Krieg und die Russland-Sanktionen nicht die einzigen Ursachen für eine abnehmende Wettbewerbsfähigkeit seien. Schuld trage auch die EZB durch ihre zurückliegend aufgeblähte Geldpolitik und den Kauf von sogenannten Staatsanleihen für Hunderte von Milliarden Euro. Nicht Putin sei schuld an der Inflation, sondern Mario Dragi und Christine Lagarde. Die Krise sei im Wesentlichen hausgemacht. Eine auf Klimaschutz fokussierte Energiepolitik vernachlässige Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit.
Auch die Energiekrise sei durch den Wirtschaftskrieg gegen Russland zwar nicht verursacht, jedoch ausgelöst worden. Die abnehmende Wettbewerbsfähigkeit sei eine Folge politischer Fehler. Man habe sich auf die kompromisslose Haltung der USA festgelegt und lehne künftige deutsch-russische Kooperationen ab. Damit gebe es außerhalb der Interessen der USA keine deutsche Außenpolitik. Der stets bemühte Begriff einer Wertegemeinschaft bedeute Unterordnung.
Den größten Nutzen aus dem Ukraine-Krieg ziehen die dabei USA auf gleich mehreren Ebenen. Söllner glaubt nicht mehr an eine eigenständige deutsche Außenpolitik und zitiert den Politik-Wissenschaftler Michael Lüders mit dessen Hinweis, dass die Amerikaner keine Wertepartner seien, sondern rücksichtslose Vertreter von Eigeninteressen. Zwecks Behauptung ihrer hegemonialen Stellung, müssen sie Russland niederhalten und dabei vor allem eine enge Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU (insbesondere Deutschland) verhindern.
NATO-Osterweiterung als Kernproblem?
Was Russland angeht, so wäre der Verlust jeglicher Einflussnahme auf die Ukraine das Ende eines „Eurasischen Reiches“ mit bedeutenden Bodenschätzen und Zugang zum Schwarzen Meer.
Es sei – so Söllner – ein zentraler Baustein der US-Strategie, die Ukraine aus dem russischen Einflussbereich zu lösen und auf die Seite des Westens zu ziehen. Er geht dabei dezidiert auf diese Entwicklung ein und kommt zu dem Ergebnis, dass spätestens nach der Absetzung des russlandfreundlichen Viktor Janukowitsch mit der Folge einer Übergangsregierung dank tatkräftiger Hilfe des Westens, seitens Russland eine Annexion der Halbinsel Krim mit allen weiteren Folgen eingeleitet wurde. Der Autor legt dabei Wert auf die Feststellung, dass Russland den Krieg begonnen habe, aber er sieht die USA und die NATO in einer Mitverantwortung.
Das eigentliche Problem sei die NATO-Osterweiterung als Kernbaustein einer umfassenden Strategie.
Deutschland als „Vasall“ und der Ruf nach Vernunft
Deutschland und ein Teil Europas habe sich zu einem Vasallen der USA machen lassen. Das vernünftige Interesse an einer geographisch gebotenen und logischen Kooperation mit Russland, werde in einem moralischen Wahn entweder nicht gesehen oder vernachlässigt. Eine hochfliegende Phraseologie zeuge von sträflicher Dummheit und Verantwortungslosigkeit. Den eigenen Wohlstand auf dem Altar des Moralismus zu opfern, sei keine Politik, sondern ein Offenbarungseid, wird Michael Lüders zitiert.
Augenmaß und Vernunft gebieten das Vermeiden eines selbstschädigenden Boykotts und sinnloser Durchhalteparolen.
Dass Ungarn für sein Angebot einer Vermittlerrolle von EU und NATO gescholten werde, sei nicht überraschend. Der Ukraine-Krieg werde in Brüssel bewusst dahingehend instrumentalisiert, die Freiheitsrechte der Bürger zugunsten des eigenen Machtkalküls auszuhebeln.
So werden z.B. die Pläne für ein europaweites Vermögensregister vorangetrieben. Erhebliche Einschränkungen der Bürgerrechte sind in Planung.
Plädoyer für einen selbstbewussten Realismus
Söllner mahnt eine selbstbewusste Politik an, die auf einen Interessenausgleich innerhalb der NATO abstellt und nicht auf die Fatamorgana einer Wertegemeinschaft. Selbstbewusstsein statt Sendungsbewusstsein und moralische Getriebenheit.
Moral, aber kein Moralismus, lautet sein Credo und beschreibt dabei die Grundlinien einer moralischen und dabei zugleich realistischen Außenpolitik.
Die Menschen müssen eine offene und vorurteilsfreie Diskussion einfordern und müssen gegen eine gesinnungsethische Strategie Front machen.
Kritische Vernunft und Urteilskraft werden gefordert, um dem „sendungsbewussten Idealismus“ Einhalt zu gebieten, da er durch einen selbstbewussten Realismus dringend zu ersetzen ist.
Anhang: Informationen zum Buch
Das Buch ist im Hardcover-Format im LMV-Verlag erschienen
Es hat ein Vorwort des Autors, eine Einleitung, Hinweise zum Inhalt, sowie einen Verweis auf die angewandte Vorgehensweise und die Begrifflichkeiten.
Einteilung erfolgt in 3 Teile, 43 Kapitel, sowie Anmerkungen und ein Literaturverzeichnis.
Seitenzahl insgesamt: 248