Zerstörung der Meinungsfreiheit

von Christian Zeller

eine Rezension von Michael Mansion

 

In einem Prolog macht der Autor einen kleinen Spaziergang durch die Geschichte der Meinungsfreiheit, in der er die Grundlage jeglicher Freiheit befestigt sieht.

Bedrohung der Liberalität

Es geht ihm um das Verständnis für einen Zustand von gelebter Liberalität. Sie drohe aktuell in einem Muff von Kampfbegriffen, einem Missbrauch von Wissenschaft als Mittel der Volkserziehung, ideologisiertem Journalismus und als NGOs getarnten politischen Vorfeldorganisationen zu ersticken.

Kampf gegen „Desinformation“

Mit nicht justiziablen Begriffen, wie Hass, Hetze, Fake News und vermeintlichen Verschwörungstheorien, entstehe ein Klima von Verdächtigungen und Verächtlichmachung.
Dabei entlarvt Zeller den EU-weiten Kampf gegen sog. Desinformationen als subtile Propaganda in eigener Sache. Ein kleiner Kreis von „Weltendeutern“ bestimme über das Sagbare und die Regeln des Diskurses.

Wahrheitsmonopole und Diskursgrenzen

Amtlich als wissenschaftlich ausgewiesene „Wahrheiten“ erlangen normativen Anspruch und können nicht mehr hinterfragt werden. Es entstehen Wahrheitsmonopole, die als „Faktenchecker“ in Erscheinung treten und nicht nur an deutschen Universitäten unterbleibt zunehmend die Methodenkritik.
Diskursräume werden zunehmend begrenzt, indem kritische Personen als rassistisch, transphob, querfeindlich, homophob oder sexistisch geächtet werden, was – so der Autor – mittlerweile bis in den Bereich der Satire reiche.

Poststrukturalismus und Dekonstruktion

Bei der Frage nach dem Entstehen solcher Denkkategorien verweist Zeller richtigerweise und an erster Stelle auf den Poststrukturalismus der französischen Schule durch seine Vertreter Foucault, Derrida und Lyotard. So werde Wissenschaft zu einer negativ gedeuteten Machtinstitution, die sich mit den Interessen der Herrschenden verbinde. Durch das Prinzip der Dekonstruktion einer westlichen Vernunft als Missverständnis der Aufklärung, entstehe eine Zerstörung der philosophischen Leitunterscheidungen des westlichen Denkens. Die Welt wird beliebig. Nichts mehr hat ein Wesen. Mythos und Logos sollen keinen Bestand mehr haben. Alles soll sich in einem permanenten Sinnfluss bewegen. Zeichen und Bezeichnetes können jederzeit entkoppelt werden.
Das habe – so der Autor – die „Kritische Theorie“ überlagert oder gar ersetzt. Die vormalige linke, marxistisch geprägte Kritik an den Produktionsverhältnissen sei auf Bereiche quer zur Ökonomie (ab-) gelenkt worden.

Machtanspruch des Postmodernismus

Der Postmodernismus habe mittlerweile zentrale gesellschaftliche Institutionen infiltriert und strebe nach politischer Macht. „Man wird nicht eher ruhen, bis der westliche, weiße und heterosexuelle Mann vollständig dekonstruiert ist. „Das totalitäre Potential der Woke-Kultur ist enorm“.
Es handele sich um eine Homogenitätsagenda, die in einen identitären Tribalismus münde, der Menschengruppen in Kategorien sortiert und sie in Gute und Böse aufteilt.

Kampf gegen Andersdenkende

Der „Kampf gegen rechts“ sei dabei die Chiffre, hinter der sich der Kampf gegen Andersdenke vollzieht.
Zeller spricht von einer sprachzerstörerischen Vermischung von politisch rechts und rechtsextrem und beklagt eine Verschiebung des politischen Koordinatensystems auch mit einem Verweis auf die Begriffe Islam und Islamismus, die man schließlich beide nicht in Eins setzen könne.
Das ist ein leider verhängnisvoller Satz, weil der Islam zunächst niemals als unpolitische (nur) Religion in Erscheinung tritt und treten kann und zweitens ist er als Ganzes Ausdruck einer vormodernen Herrschaftskultur, die in westlich-säkularen Ländern nichts verloren hat.
An dieser Stelle soll jedoch nicht übersehen werden, dass die hier beabsichtigte Aussage des Autors eine Kritik an denunziatorisch besetzten Begriffen ist und insoweit ist sie auch nicht missverständlich!

Medien, Kirchen und Eliten

Auch die mittlerweile postmodern und antirassistisch angehauchten Kirchen befinden über das wahre und neubunte Christentum. Dem wäre hinzuzufügen, dass die dabei zur Schau gestellte Offenheit gegenüber dem Islam masochistische Züge angenommen hat.
Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit korrespondiert offensichtlich nicht mit der Diskurshoheit der angesagt linksgrünen Eliten, wobei der Autor auf eine Flut von Beleidigungsklagen aus diesen Kreisen verweist und von einer Verfolgungspraxis spricht.

Rolle des Verfassungsschutzes

Eine besondere Bedeutung komme dem Verfassungsschutz, als einem „Schandpfahl der aufgeklärten demokratischen Gesellschaft“ zu. Der Verfassungsrichter Christoph Degenhart habe angemahnt, der Verfassungsschutz sei keine Gedanken-und Sprachpolizei. Der Autor fügt hinzu, es spreche einiges dafür, dass der Verfassungsschutz die liberale Demokratie gefährde. Er sei zu einer volkspädagogischen Anstalt mutiert.

Medien und Politisierung

Eine gleichgerichtete Politisierung von Teilen der Medien, der Wissenschaft, der Wirtschaft, der Kirchen und der organisierten Zivilgesellschaft sei zu beobachten. Zeller spricht hier von Indifferenzzonen als politischen Echokammern, von deren Wänden stets die gleiche Botschaft schallt.
Auch die Ernennungspraxis von Richtern sieht der Autor kritisch und verweist auf den ehemaligen Bundesverfassungsrechtler Ernst Wolfgang Bockenförde, der von Parteipatronage gesprochen habe.
Ebenso problematisch seien Medienbeteiligungen von Parteien, was Zeller am Beispiel der SPD Beteiligung am RedaktionsNetzwerk-Deutschland (RDN) festmacht.

Öffentlich-rechtliche Medien

„Haltung“ statt informatorische Wahrheit werde zum Synonym eines neuen Demokratieverständnisses, das den Bürgern einrede, sie leisteten mit ihren Zwangsgebühren so etwas wie eine „Demokratieabgabe“. Der ÖRR sei längst auf Linie eines euphemistisch-totalitären Zeitgeistes.
Für die politische Öffentlichkeit gebe es derzeit keine größere Gefahr als das öffentlich-rechtliche Medienangebot, wobei die öffentlich-rechtlichen Medien offensichtlich der Ansicht seien, sich nicht rechtfertigen zu müssen.

Correctiv-Skandal und Propaganda

Zeller widmet sich auch dem Correctiv-Skandal, wo der Versuch gemacht worden sei, zum Zwecke der Denunziation eine neue Wannsee-Konferenz zu insinuieren, um gegen die AfD einen Nazi-Vorwurf geltend machen zu können. Trotz einer Klage des Verfassungsrechtlers Ulrich Vosgerau hatten große Teile der Medien diese Falschbehauptung weiterhin verbreitet und der Autor spricht hier von einem propagandistischen Bullshit-Komplex.

Klimawandel und neue Glaubenssätze

Mit der Debatte um den Klimawandel habe sich in Deutschland eine zusätzliche Erregungsbewirtschaftung etabliert. Dabei verweist der Autor auf Interna, wobei die EU heimlich NGOs mit dem Ziel instrumentalisiert habe, Klagen gegen Unternehmen in Szene zu setzen. Der Klimaschutz trage religiöse Züge und durchdringe alle Lebensbereiche. Die IPCC-Berichte werden zu heiligen Offenbarungen, die nicht mehr zu hinterfragen sind. Die zweifellos unkluge Leugnung des/eines Klimawandels erfülle mittlerweile den Tatbestand der Volksverhetzung. Wer sich gegen den Klimaschutz positioniert, gilt als „Feind der Menschheit“. Damit verbunden werde ein neuer Nord-Süd-Schuldkomplex, bei dem die Industriestaaten zu Schuldigen und Abgabepflichtigen (an die nicht-industrialisierten Länder) werden.
Begriffe wie Klimaschutz und Klimawandel seien längst durch Vokabeln wie Klimakrise und Klimakatastrophe abgelöst worden. Verbindlich sei der Klimaschutz allerdings nur dann, wenn er sich zugleich mit Antikapitalismus, Antirassismus, Antikolonialismus und Antifaschismus verbinde, um der aktuellen Gerechtigkeitsdebatte zu genügen. Es entstehe so etwas wie eine Klima Guerilla, die sich mit „der Sache Palästinas“ verbunden wissen will.

Außenpolitik und Russland

Das Tugendvokabular des Putin-Verstehers oder Putin Knechts sei darüber hinaus die zeitgemäße Version der Ausgrenzung. Dabei ist anzumerken, dass das moralisch aufgeladene Kriegsengagement Deutschlands zugunsten der Ukraine offensichtlich nicht mit der Ermordung von 24 Mill. Sowjetbürgern während des 2. Weltkrieges (moralisch) belastet ist und Russland kann im Brustton der Überzeugung als Feind bezeichnet werden. Natürlich gibt es nur Putin- aber keine Pentagon-Propaganda (Seite 199). Entsprechend eingeschränkt ist der Diskurs auf dieser Ebene.

Die Bundesregierung verfüge über hoch wirksame Legitimationsmuster, um ihre Agenden zu schützen, wenn sie etwa „Feinde der Vielfalt“ ausfindig mache, was die Tiefenstruktur eines Kultes offen lege.
Was ist passiert, wenn die Berliner Polizei nach einem „männlich gekleideten“ Täter sucht? Waren das Frauen oder Außerirdische? Was ist passiert, wenn die FAZ Frauen als menstruierende Personen bezeichnet oder den großen Erfolg des postmodernen Selbstbestimmungsgesetzes feiert? Was ist passiert, wenn die kanadische Regierung eine gender-transformative Minenräumung in der Ukraine auf den Weg bringen will? Es sei ein Sieg der Pseudowissenschaft, die Geschlechterzugehörigkeit als ausschließlich soziale Identität begreifen zu wollen, sagt Zeller. Was ist passiert, wenn die Behauptung, dass es nur zwei Geschlechter gibt, Tumulte an Universitäten verursacht und als „querfeindlich“ bezeichnet wird?

Identität und Migration

Das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) sei eine der größten „wissenschaftlichen“ Legitimationsbeschaffungsmaschinen und ein Netzwerk-Knotenpunkt einer Propagierung des postmodernen Antirassismus. Seit seiner Gründung in 2014, habe es bis 2025 insgesamt 71,2 Mill € an Steuergeld erhalten, so der Autor.
Aus einem solchen Theorem, fernab jeglicher Abgrenzung, lasse sich selbstverständlich auch die Auflösung der Nation ableiten, was nahe lege, durch Zuwanderung in großem Stil eine damit einhergehende Auflösung einer spezifischen deutschen Identität zu gewährleisten.

Patriotismus der Vielfalt und Rassismusbegriff

Der von links geforderte „Patriotismus der Vielfalt“ bedeute jedoch, dass es nichts mehr gibt, in das man Ausländer noch integrieren kann.

Hinsichtlich des Rassismus-Begriffes habe es längst eine Inflation des Begriffes gegeben, die sich von der biologischen Konnotierung entfernt und einem „Rassismus ohne Rassen“ (Stuart Hill / Etienne Balibar) zugewandt habe. Jede gewollte Unterscheidung von Menschengruppen kann demnach rassistisch gedeutet werden, womit wirklicher Rassismus banalisiert werde.

Zivilgesellschaft und Staat

Es entstehen staatliche Parallelstrukturen im Umfeld „zivilgesellschaftlicher“ Organisationen, welche eine Lenkung des Souveräns zum Ziel haben, zu der dieser seine Einwilligung nicht erteilt hat. Der Staat nutze die Elemente des Zivilgesellschaftlichen, um sich selbst zu rechtfertigen.
Demokratieförderung – so der Autor – dürfe aber unter keinen Umständen eine Aufgabe des Staates sein. Mit dem Projekt „Demokratie leben“ verletzte der Staat das Neutralitätsgebot staatlichen Handeln. Der Staat verenge den Meinungskorridor in die Richtung einer von ihm gewünschten Gesinnung. Die explizite Gleichsetzung von Vielfalt und Demokratie gefährde die Demokratie.

Zeller sieht das „System Demokratieschutz“ vor einer Wende. Entweder werde es offen repressiv, was das Ende der liberalen Demokratie bedeuten würde oder es verschaffe sich so etwas wie eine staatstragende Aura mit dem Anspruch zivilgesellschaftlicher Evidenz. Demokratische Teilhabe werde zu willfähriger Zustimmung. Man habe sich vor zwanzig Jahren kaum vorstellen können, dass das Land einmal mit „Meldestellen“ überzogen werden könnte, die „falsche Meinungen“ und „falsche Weltbilder“ aufspüren sollen. Bayern unterhalte mit David Beck sogar einen „Hate-Speech“ Beauftragten.

Meinungsfreiheit und Digital Services Act

Zeller spricht im Zusammenhang mit dem Digital Services Act sogar von einer Abrissbirne der Meinungsfreiheit. Mit dem Anspruch, strafbare Handlungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze aufspüren zu wollen, entstehe eine Blockwart-Mentalität.
Der Verfassungsrechtler Volker Boehme Nessler spreche hier von staatlich geförderter Denunziation.
Der Autor hebt hier vor allem die Funktion der „Trusted Flagger“ hervor, die er als begriffliche Geisterfahrer bezeichnet.

Rechtspopulismus und Volkssouveränität

Zeller spricht von einem Dilemma. Wenn es nämlich der politischen Unfähigkeit des Souverän geschuldet sein sollte, dass er die Kontrolle darüber verloren hat, wer auf seinem Territorium leben und arbeiten soll, dann ist dieser Souveränitätsverlust für das Erstarken des Rechtspopulismus verantwortlich! Die Ausgestaltung des Staatsbürgerschaftsrechts sollte aber keiner wohlmeinenden Willkür folgen!

Mit Hinweis auf den Begriff der Liberalisierung verweist Zeller auf dessen ökonomisches Mantra von Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung, das sich in einer Gegnerschaft zur Volkssouveränität befindet und in die Konstruktion der EU eingeflossen ist. Damit werde vor allem einer Freiheit von Kapitalinteressen das Wort geredet, was Einflussnahmen durch den Souverän erschwert. Im Rechtspopulismus beanspruche die Volkssouveränität wieder die Oberhand gegenüber den Elementen des Globalismus. Zugleich hält aber der Linksliberalismus die Volkssouveränität für ein Hindernis auf dem Weg zur „Weltbürgerschaft“ und verachtet das Ethos gemeinsamer Sprache, Kultur und Tradition. Der „negative Gründungsmythos“ der Nachkriegs BRD (Auschwitz) soll zugunsten universalistisch-moralischer Konzeptionen aufgehoben werden.
Der Prozess sei in den USA weiter fortgeschritten als hier, meint Zeller, aber die Gesellschaft bewege sich in diese Richtung. Zwischen wechselseitigen Kampfbegriffen und sektoralen Einhegungen der Meinungskorridore, verschwindet der verbindende demokratische Diskurs.

Gestörter Diskurs und Brandmauer

Der gestörte Diskurs berücksichtige dabei vorrangig, wer welches Thema aufgreift und dem guten oder bösen Lager angehört. Die „Brandmauer“ verschärfe diese Dynamik. „Man kann keinen Standpunkt mehr beziehen, ohne die Logik des hegemonialen Diskurses zu bestätigen“.
Die Ebene des Rechts sei die staatliche Unparteilichkeit, sagt der Autor und fordert die Neutralität der staatlichen Organe.

Reformbedarf des ÖRR

Ein richtig dicker Brocken wäre hier wohl eine Reform des ÖRR, sowohl strukturell als auch inhaltlich im Sinne seiner gesetzlichen Aufgaben.

Bildungsziel: Rationaler Skeptizismus

Als Bildungsziel empfiehlt Zeller einen rationalen Skeptizismus. Die Wissenschaft sei zu entpolitisieren und Nicht-Wissenschaft ist zu unterlassen.
In der Debattenkultur ist bei hegemonialen Botschaften eine Rechenschaftspflicht zu fordern. „Die Förderung des Skeptizismus ist die Grundlage einer Förderung der Debattenkultur“.
Volksentscheide sind zu befördern und ein diskursautoritäres Gehabe ist abzustellen. Diesen Aspekten widmet der Autor einige Seiten.

Epilog: Ambivalenz und Subtilität

In einem Epilog geht er dezidiert auf alle von ihm als wesentlich empfundenen Hindernisse für einen freien und demokratischen Diskurs ein und verweist dabei auf die durchaus dramatische Lage der Meinungsfreiheit in Deutschland in ihrer ganzen Ambivalenz und Subtilität.
Zum guten Schluss erlaubt er sich eine durchaus auch humorvolle Betrachtung im Falle einer gedacht umgekehrten Direktive eines Kampfes gegen links.
Das ist ein interessanter Gedanke für Freunde der Dialektik, wobei zu klären wäre, in wie weit die aktuell üblich gewordenen Zuschreibungen einer linken oder rechten Argumentation für eine Beurteilung der jeweiligen Inhalte überhaupt schlüssig sind.

Fazit

Das ist ein insgesamt gesehen sehr kluges und wichtiges Buch zum Verständnis der aktuellen Gesellschaftlichkeit, wobei der Autor den Rückbau der liberalen Demokratie im Namen ihrer Verteidigung im Auge hat und eine aufwändige Recherche betreibt.


Das Buch ist im Solibro-Verlag erschienen und hat 399 Textseiten.
Die Fußnoten umfassen weitere 50 Seiten.
Format: Paperback
ISBN 978-3-96079-126-3