Linke Intellektuelle im Dienst des Totalitarismus
Wie die Kunst-Avantgarde den Weg für die woke Bewegung bereitete
– das Beispiel Jon Cage von Tom Sora
Wie die Kunst-Avantgarde den Weg für die woke Bewegung bereitete
– das Beispiel Jon Cage von Tom Sora
Eine kritische Betrachtung von Michael Mansion
Tom Sora wäre nicht der erste Musikwissenschaftler, der sich politisch zu Wort meldet. Seine Behauptung, die Kunst-Avantgarde habe den Weg für die woke Bewegung bereitet, will er vor allem am Beispiel von John Cage deutlich werden lassen.
Das wirft die ebenfalls nicht neue Frage auf: Welchen Einfluss hat Kunst auf gesellschaftliches Bewusstsein und wenn… – in welchem Maße?
Hier findet aber bereits im Titel eine Begrenzung statt, denn es ist ja von linken Intellektuellen die Rede und nicht von irgendwelchen anderen Leuten.
Zurück in die 70er und 80er Jahre
Die Erinnerung des Rezensenten reicht bis in die 70er und 80er Jahre zurück, wo es zu einem linken Habitus gehörte, sich (auch) mit Komponisten der Avantgarde zu beschäftigen.
Dies vorzugsweise vor allem dann, wenn von diesen bestimmte Bekenntnisse bekannt geworden waren, die im linken Milieu als fortschrittlich galten.
Im Falle der Musik galt damals als fortschrittlich, wenn alles Konsonante, als Ausdruck einer vermeintlich heilen Welt, zerschlagen wurde.
Methodisch schloss das übrigens nahtlos an die Kritik der Romantik an.
Kritik am „realen Sozialismus“
Tom Sora ist in Bukarest geboren und war mit dem „realen Sozialismus“ konfrontiert, der besonders in einem armen Land wie Rumänien unbestreitbar viel Verzweiflung verursacht hatte.
Das hat den kritischen Blick des Autors auf selbst ernannte Eliten im politischen Raum geschärft.
Der erlebte Antagonismus zwischen theoretischem Anspruch (des Sozialismus) und erlebbarer Wirklichkeit, hat in seinem Falle eine gewisse Gnadenlosigkeit zur Folge, welche sich gegen die sozialistische Theorie insgesamt und alle ihr nahestehenden theoretischen Ausführungen und Kommentare wendet.
Für ihn ist der Anspruch eines Linksseins gleichbedeutend mit dem Anspruch auf zielgerichtete Zerstörung bestehender bürgerlicher Gesellschaftlichkeit.
Es bleibt in seinen Ausführungen kein Raum für den klassischen historisch linken Anspruch auf eine herrschaftskritische Emanzipation der gesellschaftlichen Subjekte.
Der Umgang mit dem sehr unterschiedlich reflektierten Marx’schen Theoriegebäude gemahnt zur Vorsicht unter Berücksichtigung der keineswegs einheitlichen Interpretationsmöglichkeiten im jeweils aktuellen gesellschaftlichen Umfeld. (siehe: Louis Althusser „Das Kapital lesen“)
Die Frage drängt sich auf: Welcher Typus wäre als genuin Linksintellektueller zu diagnostizieren oder, anders gefragt, ab welchem Punkt einer Argumentationskette wird der vermeintliche Linke zum Apologeten einer moralisierenden Hypermoral, wie sie von Arnold Gehlen und Alexander Grau treffend beschrieben wurde. („Moral und Hypermoral“ Gehlen/Grau)
Der Vorwurf einer in Diensten des Totalitarismus agierenden Linken (ganzheitlich gesehen) wiegt schwer und bedarf sorgsamer Analyse im Einzelfalle.
Eine Reduktion linker Apologetik auf „totale Herrschaft und bedingungslose Unterwerfung“ unter dem Banner des Marxismus-Leninismus durch den Autor, spricht der Marx´schen Theorie ihren emanzipatorischen Wert ab und unterstellt der ihr innewohnenden herrschaftskritischen Grundthese lediglich das Endziel einer Zersetzung der bürgerlich-demokratischen Gesellschaft.
Sora benutzt den Begriff des (linken) „nützlichen Idioten“ mit Bezug auf die Kunstszene, wo er diese als Dienstleistende des Totalitarismus ausfindig macht.
Richtig ist zweifellos, dass der Verbleib von Künstlern in einem totalitären Umfeld – so sie kritisch sind – einer Gratwanderung gleich kommt. Diese kann jedoch nicht als ein stilles Einverständnis gewertet werden, wie dies etwa im Zusammenhang mit deutschen Schriftstellern im NS immer wieder versucht wurde (hierzu: Günter Scholdt: Schlaglichter auf die innere Emigration).
Der DDR-Schriftsteller und Dichter Johannes R. Becher hatte aus heutiger Sicht in einer unerträglichen Weise ein lobendes Gedicht auf Stalin geschrieben. Es ist nicht bekannt, ob er dazu genötigt wurde. Falls nicht, kann er durchaus aus Überzeugung gehandelt haben.
Die Lied-Kompositionen von Hans Eisler und Kurt Weil sind dagegen von ästhetisch hohem Wert.
Beide verstanden sich klar als politische Kunstschaffende.
Das berührt eine alte Streitfrage innerhalb der Kunst selbst. Entweder darf oder muss sie unter besonderen Umständen auch politisch sein oder man stellt diesen Anspruch grundsätzlich in Abrede.
In wie weit dem politischen Anspruch einer künstlerischen Aussage der Irrtum zwanghaft inhärent ist oder sein muss, das ist schwer zu sagen.
Der Habitus einer Gruppe, die sich selbst als Avantgarde begreifen will, transportiert unvermeidlich eine Gemengelage aus Narzissmus, Arroganz und mit etwas Glück einem meist kleinen Anteil an konkreter Utopie, deren in Erscheinung treten nur von kommenden Generationen bewertet werden kann.
Ein nicht zu unterschätzender Aspekt von solcherlei Betrachtung, ist die sich vermittelnde Teilhabe an Kunst bzw. der Kunst, welche für eine avantgardistische Moderne steht.
Solcherlei „Verführungsszenarien“ sind im Promille-Bereich angesiedelt und allenfalls in Teilen eines selbstverliebten, vermeintlich progressiven Bildungsbürgertums anzutreffen.
Komponisten und Musikschaffende wie John Cage, Hans Werner Henze, ja sogar die letzten Spätromantiker wie Schönberg, Berg und Webern, sind im weiteren Umfeld der Linken kaum bekannt. Der „Schaden“ hält sich also in Grenzen!
Der Autor hat als Musiktheoretiker aber etwas im Blick, was sein Kollege und ehemaliger Weggefährte Bertolt Brechts, Hans Eisler, in einem Buch mit dem Titel „Materialien zu einer Dialektik der Musik“ zusammengefasst hatte. Indem das Prinzip der Dialektik auch auf die Musik angewandt wird, entsteht eine besondere Sicht auf die Tonkunst und die Möglichkeiten einer gewollten oder ungewollten Indienstnahme…wofür auch immer.
Mit politischer Indienstnahme, wird Kunst zweifellos zu Propaganda, wobei der Begriff nicht nur negativ zu besetzen wäre. So sie verbal als Roman oder Dichtung Partei ergreift, wäre eine ganze Reihe von Fällen aufzuzeigen, wo die Parteinahme das vermeintlich „Bessere“ in guter Absicht befördern will. Was bleibt, ist wie immer das Risiko des Irrtums…mit allen Folgen.
Dieses wächst dabei mit der Deutlichkeit der Aussage.
Im Falle der Neutöner (Cage, Ligety, Henze, Stockhausen u.a.) ist die ästhetische Botschaft „das Neue“, das sich dem Gewohnten entzieht. Es versteht sich als ein Anti zur als kleinbürgerlich apostrophierten, reaktionär gescholtenen Musik-Rezeption von Gesellschaft, deren ablehnende Haltung gegenüber dem Neutönenden sie als das entlarven soll, was man ihnen unterstellt.
Eine Mehrzahl tritt so als ungebildet in Erscheinung und wird von einer sich als Elite begreifenden Minorität mit herablassender Häme bedacht.
Sie, die Elite, hat das nötige Weltverständnis, das sich als kosmopolitisch und weltoffen im Sinne eines alle vermeintlichen Schranken überwindenden Genius begreift.
Das Dissonante, als Wesensmerkmal einer Musik der Moderne, wird zur Begleitmusik der kulturellen Beliebigkeiten, die weder Kontrapunktik noch Harmonielehre mehr gelten lassen will.
Ein eingefordertes neues Hörverständnis gerät zum Generalbass eines „Erziehungsauftrages“ für eine diverse Gesellschaft, die sich im günstigsten Falle nicht mehr wiedererkennen soll.
Damit soll sie sich endgültig von den Derivaten befreien, die ihr als Rassismus und Kryptofaschismus unterstellt werden.
Es müsste empirisch geprüft werden, ob der Autor recht hat mit der Behauptung, es sei das Ziel von arroganten und verantwortungslosen Vertretern der „geistigen Berufe“, eine Propaganda mit dem erklärten Ziel zu inszenieren, die Gesellschaft mit den Mitteln einer Anti-Kunst zu destabilisieren, um letztendlich die liberale und demokratische Gesellschaft und Zivilisation de facto zu zerstören.
Diese Aussage ernst zu nehmen bedeutet, dass das Ziel avantgardistischer Kunst eine quasi terroristische theoretische Grundlage hat.
„Diese Intellektuellen und Künstler“ sieht Sora als Mitverursacher eines allumfassenden „Great Reset“ und der „Cancel Culture“.
Damit sieht Sora diese Künstler absichtsvoll (politisch) und zerstörerisch unterwegs.
Es mag unterschiedliche Ansichten zur politischen Kunst geben, aber streng genommen ist nur der sog. Agit-Prop eine Kunst, die sich als ein politischer Auftrag versteht und dabei stets bemüht war, möglichst von allen verstanden zu werden, also konsonant zu sein.
Dabei hat der Agit-Prop bemerkenswerte ästhetische Leistungen hervorgebracht und dies auf den unterschiedlichsten Ebenen von Kunst.
Zugleich sind die Leistungen der musikalischen Moderne sehr überschaubar, haben nie eine breitere Akzeptanz gefunden und sind für eine absolute Minorität von Musikinteressenten so etwas wie ein elitäres Experimentierfeld.
Die Mehrzahl aller Avantgardekünstler hat nie einen Hehl daraus gemacht, den Niederungen des gesellschaftlichen Alltags und damit der ihr zugehörigen Politik keine Bedeutung beizumessen.
Dabei hat der Autor große Mühe darauf verwendet, den Begriff der Avantgarde auch historisch herauszuarbeiten!
Sora will so etwas wie einen kulturellen Kollektivismus beschreiben. Dabei blendet er die gesellschaftliche Situation aus, in der sich die gesellschaftlichen Akteure befanden und von ihr geprägt wurden.
Kunst und gesellschaftliche Ziele
Ob die Forderung politischer Akteure, die Kunst möge im Sinne eines gesellschaftlichen Zieles „behilflich“ sein, grundsätzlich verwerflich ist, sei einmal dahingestellt.
Zugleich wäre ja zu konstatieren, dass die Kunst bislang nicht imstande war, politische Katastrophen abzuwenden. Warum sollte ihre Kraft, diese zu befördern, unbedingt als um so viel größer eingeschätzt werden? Oder meint Sora ernsthaft, Richard Wagner habe Hitlers Machtübernahme begünstigt?
Indem er auf Gramsci rekurriert, wo er dessen Diktum von „der Zerstörung der bestehenden (bourgeoisen) Kulturform aufgreift, um so die Geburt der „Neuen Linken“ plausibel zu machen, wäre gerade in dessen Sinne dem aktuellen woken Kulturgeschehen, etwa in Deutschland, mit deutlicher Zurückweisung zu begegnen.
Sora hat Recht, wenn er den Avantgarde-Begriff als Kampfbegriff kritisch beleuchtet.
Ob man dann heiter oder resigniert zur Kenntnis nimmt, dass die (eigene) Avantgarde oder das, was man dafür hält, immer die Mutter der eigenen Meinungsbildung ist, das ist eine Frage des Humors.
Mit seinem Verweis auf die Zeit im Umfeld des 1. Weltkrieges macht sich Sora dabei die Betrachtung einer besonders interessanten Zeitspanne (die 20er Jahre) selbst kaputt.
Dies, indem er unterstellt, es sei das Ziel der künstlerischen Avantgarde gewesen, die bürgerlich-demokratische Gesellschaft zu sprengen, um letztendlich eine leninistische Gesellschaftsform durchzusetzen. Hierzu zitiert er ausgerechnet Hannah Arendt, wo diese den Radikalismus erwähnt, von dem sich Teile der kulturellen Eliten angesprochen fühlen. Dabei übersieht er die Dialektik des Prozesshaften. Der kulturelle Spannungsbogen in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war enorm und mit der Russischen Revolution kam ein Element hinzu, das mehr noch als ein Aufbruch zu verstehen war, mehr als der Tabubruch durch die Freud´sche Analyse, so man denn nicht der Ansicht war, dass Demokratie und Selbstbestimmung bereits verwirklicht waren.
Der Sozialismus/Kommunismus war dabei das Codewort für ein neues Weltverständnis, dem man sich zugehörig fühlen wollte.
Dies aus heutiger Sicht im Sinne einer zielgerichteten Zerstörung eines zuvor intakten europäischen Kulturraumes begreifen zu wollen, ist schlicht und ergreifend reaktionär.
Die Kunstschaffenden haben sich seit dem Beginn der Höhlenmalerei als eine Elite begriffen. Ihre Werke sollten wenn irgend möglich über ihre Zeit hinausweisen.
Gelegentlich tun sie das ja auch, aber unsterblich bleibt ein Bruchteil von ihnen und nicht einmal dieser kann sich von einer Mehrzahl geliebt und verstanden wissen.
Sora verwendet eine große Sorgfalt hinsichtlich der von ihm erwähnten Personen zur Bekräftigung seiner These von bewusst und gewollt in Szene gesetzter Zerstörung demokratischer Gesellschaftlichkeit, deren Vorhandensein er voraussetzt und soziologisch nicht hinterfragt.
Verantwortlich für diese Zerstörung ist nach seiner Ansicht die linke Theorie als Ganzes.
Seit ihrer Entstehung bis in die Postmoderne macht er sie als das zentrale Übel aller Übel ausfindig.
Die hierfür ins Feld geführte Begründung stützt sich wesentlich auf das, was er als kollektivistische Anmaßung zu Lasten von Freiheit und Individualismus verstanden wissen will.
Das ruft die Frage auf den Plan, wie antibürgerlich die Linke wirklich ist?
Es ist interessant, dass sich Sora nicht etwas umfänglicher mit dem Liberalismus auseinandersetzt, jedoch mit der Bedrohung der bürgerlichen Kultur durch einen Anti-Liberalismus.
Eine aufmerksame Analyse der aktuellen politischen Linken würde unschwer zutage fördern, dass sie mehrheitlich für ein marktwirtschaftliches Wirtschaftssystem votiert.
Der Unterschied zu den Konservativen besteht allenfalls in einem Dissens über das Ausmaß der staatlichen Eingriffe in das Wirtschafts- und Finanzgeschehen und die Frage der sozialen Gerechtigkeit.
Ein verschütteter historischer Anspruch
Der historische Anspruch an ein Linkssein als eine lebenslängliche Anstrengung im Geiste der Aufklärung, mit dem Ziel einer Selbstbestimmung des Menschen, ist längst verschüttet hinter LGBTQ+, einer absurden Welt-Klima-Rettung, Postkolonialismus und dem „Kampf gegen rechts“.
Fakt ist, dass das woke, zeitgeistige, pseudo-linke Milieu, jede Mode der US-Leitkultur nachahmt. Es ist also bei aller Achtung vor der aufwändigen Arbeit des Verfassers mit vielen Zitaten und historischen Hinweisen und Kommentaren völlig überflüssig, einen historischen Konsens linker Apologetik zu bemühen, um damit den Nachweis erbringen zu wollen, schon beim ollen Marx sei die Wurzel des heutigen Übels gelegt worden.
Es ist, wie wenn man im Umfeld der technischen Neuerungen die damit verbundene, gelegentlich unvermeidliche Mortalitätsrate ihrer Nutzer für eine Ablehnung der technischen Neuerung ins Feld führen wollte.
Dennoch sind Soras Hinweise im Umfeld einer Entwicklung der Kunst auch und gerade in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bedeutsam, weil sie auf die Wirkmächtigkeit dieser Zeitspanne verweisen.
Er ist dabei bemüht, drei Etappen der Avantgardebewegung ausfindig zu machen, die jedoch weder chronologisch noch programmatisch genau voneinander abzugrenzen seien.
Dabei entsteht ein interessanter zeitlicher Überblick der verschiedenen Kunst-Disziplinen und ihrer temporären Losungen und Visionen in ihrem politischen Umfeld.
Wertvoll sind hier die Hinweise auf das Element des Radikalen, das für sich selbst betrachtet allerdings nicht zugleich ideologisch sein muss.
Es ist ja gerade die sich avantgardistisch gebende Gestalt der Kunst, die sie im vermeintlich linken Milieu gelegentlich (als bourgeois) hat verdächtig werden lassen und von diesem deshalb auch nicht in Dienst genommen werden konnte und wollte.
Ganz sicher ist auch die Unterstellung nicht abwegig, dass sich die Kunst in ein Abseits manövrieren kann, welches dekadent genannt werden darf.
Diesen Begriff verwendet Sora nicht, verweist aber (auch nicht wörtlich) auf einen arroganten Nihilismus im Umfeld der Dadaisten, womit er wohl richtig liegt.
Man kann (wie der Autor) die Meinung vertreten, dies alles (die Avantgarde-Kunst) sei im Grunde die „Begleitmusik linker Vernichtung von Individualität und Bildung“.
„Werch ein Illtum“ könnte man mit dem Avantgardisten Ernst Jandel sagen.
„Verherrlichung des Unsinns“ als Zeitgeist
Völlig richtig scheint in diesem Zusammenhang allerdings Soras Hinweis auf „eine Verherrlichung des Unsinns“ als zeitgeistiger Erscheinungsform, aber was meint er mit „Stupidität als Waffe gegen Demokratie und liberale Geisteshaltung“? Meint er die aktuellen Berichterstattungen der Mainstream-Medien?
Alle diese Dinge sind sehr wohl ernst zu nehmen, denn sie entstehen in einem Umfeld starker gesellschaftlicher Widersprüche, aus denen heraus sie eine anmaßende und arrogante Gestalt annehmen können.
Dazu gehört allerdings auch ein stets kritischer Blick auf die Strukturen, aus denen sie entstanden sind. Dabei ist sein Blick auf bestimmte Äußerungen führender Köpfe des Linksintellektualismus in der gebotenen Gnadenlosigkeit durchaus berechtigt, wenn er z.B. André Breton in seinem „Manifest du surréalisme“ mit folgendem Satz zitiert:
„Es muss alles getan werden, jedes Mittel muss eingesetzt werden, um die Idee der Familie, Vaterland und Religion zu ruinieren“.
Das Problem hierbei ist allerdings, dass Sora eine Brücke von Breton zu denen spannt, die er seine woken Nachfolger nennt.
Er übersieht dabei, dass letztere ihre Ideologie als Verzicht verstanden wissen wollen. Sie wollen nichts zerschlagen, sondern geschlagen und gedemütigt zu Kreuze kriechen.
Ihre woke Verneigung vor dem invasiven Islam als einer „zugewanderten kulturellen Bereicherung“ im Umfeld einer kosmopolitischen Diversitas, will keine Befreiung aus als Unterdrückung empfundenen Strukturen, sondern demütige Anpassung um jeden Preis.
Willkommen liebe Mörder,- wir lecken euch die Stiefel. Das ist der ganz wesentliche Unterschied!
Avantgardismus als Zerstörung,
Neidprogramm, Barbarisierung, Dekonstruktion, Kollektivierung und Hass auf die westliche Kultur, wird hier zum Synonym einer Negation demokratischer Gesellschaftlichkeit stilisiert.
Es gelingt dem Autor keine entspannte Kritik an Wissenschaftlern wie Herbert Marcuse, dem er u.a. seine kulturmarxistische These vom affirmativen Charakter der bürgerlichen Kultur zum Vorwurf macht. Was eigentlich ist denn an dieser Feststellung so schrecklich bzw. so schrecklich falsch? Wie anders funktioniert denn kulturelle Aneignung und sehen wir nicht gerade aktuell, wie richtig er damit lag?
Ein anderer, allerdings marxistisch inspirierter Musikwissenschaftler, wie Theodor W. Adorno (also quasi ein Kollege von Sora) hatte zu Lebzeiten im Rahmen einer Vorlesung in Saarbrücken („Typen musikalischen Verhaltens“) den Satz geprägt: „Cowboy und Hillbilly-Musik wird dort noch am meisten gehört, wo es noch Cowboys und Hillbillys gibt“. Im Klartext: Das Sein bestimmt das Bewusstsein.
Adorno konnte sich damals des zustimmenden Gelächters der Studenten sicher sein. Würde ein solcher Satz heute in einer Vorlesung geäußert, wäre im günstigsten Falle eisiges Schweigen die Folge, im ungünstigeren der Anwurf des Rassismus. So ändern sich nicht nur die Zeiten, sondern mit ihnen auch die unaufgeklärten Befindlichkeiten.
Man könnte Adornos Satz etwas entspannter allerdings auch als Antiamerikanismus definieren, dem eine Spur von Arroganz anhaftet.
Die Unterstellung Soras, beflissene linke und finanziell gut ausgestattete Professoren hätten ihre Studenten „zur Bekämpfung des Systems“ animiert, gleicht ein wenig der aktuellen Beschimpfung kritischer Geisteswissenschaftler als „rechte Trolle“.
Im Falle von Sora sind es jene, die er „echte, destruktive marxistische Revolutionäre“ nennt.
Ach ja,- wie sich die Bilder gleichen.
Zugleich meint er nicht zu Unrecht, dass ein aus dem revolutionären Avantgarde-Programm entliehener politischer Aktivismus, zum Mainstream-Habitus der meisten Künstler und Kunststudenten in der westlichen Welt geworden sei.
Das darf man so sehen, aber es wird zum Problem, wenn man es zwingend als links einordnet, ist es doch seinem ganzen Wesen nach viel eher als ein amerikanisierter Hypermoralismus, fernab der Theorien von Gramsci, Marcuse, Adorno, Habermas, Derrida, Foucault oder Deleuze zu begreifen.
Da will auch niemand den Kapitalismus niederreißen, in dem man sich prächtig eingerichtet hat, sondern man paddelt im woken Mainstream einer erhofften Karrière entgegen.
Soras Rekus auf John Cage ist zugleich eine interessante Sicht auf ein wie dargestellt unbeschwertes Leben im jet-set-style. Der Autor sieht darin nicht zuletzt die Voraussetzung für das, was er Cage als linken Politaktionismus unterstellt. Der wohl behütete und luxuriös lebende Avantgardist, der die Kunst als Vehikel revolutionärer Indoktrinierung nutzt, damit zugleich den Kern der Kunstavantgarde verkörpert und ganz im Sinne Lenins handelt.
Es darf jedoch berechtigt angenommen werden, dass Lenin John Cage künstlerisch nicht ernst genommen hätte, da er Kunst in ihrem gesellschaftlichen Sinne als emanzipatorisches Element ästhetischer Dimension von notwendiger Aneignung begriff und ein großer Beethoven-Liebhaber war.
„Die Kunst gehört dem Volke…“ ist Lenins Absage an eine elitäre Parallelgesellschaft!
In den wohl behüteten Hinterzimmern nicht nur linker Intellektueller wurde zu allen Zeiten die Welt neu erfunden. Seit Platon und Aristoteles ist jedoch nicht sehr viel Wesentliches hinzugekommen, wenn man auf ein Weltverständnis anspielt.
Das (pseudo-linke) Sendungsbewusstsein, das Tom Sora so umtreibt, ist als Kind einer Post-Moderne längst an einem Punkt angekommen, wo es ganz offensichtlich, „befreit“ von jeglicher theoretischen Substanz und dialektisch aufklärerischer Analyse des gesellschaftlichen Ist-Zustandes, zu einem religiösen Mythos verkommen ist, der Glaubensgrundsätze gegen Wissenschaftlichkeit ausspielt.
Das hat der Autor durchaus erkannt, weshalb das bei ihm selbst zutage tretende Sendungsbewusstsein eines Hüters vor dem Bösen allen Linksseins schon auch ein wenig verwundert.
Es scheint, als wolle er den Teufel austreiben, obwohl er es doch allenfalls mit selbstgefälligen Moralisten zu tun hat.
Wenn er John Cage unterstellt, er habe mit dem Kommunismus Maos sympathisiert, dann gibt es zahlreiche Beispiele solcher Verirrungen und dies nicht nur bei Komponisten.
Die Kernfrage hierzu lautet aber: Wie schrecklich sind die Folgen hiervon? Welche nennenswert größeren Teile der Bevölkerung lassen sich mit der zugehörigen Begeisterung auf diese intellektuelle Spielwiese führen und verführen?
Der Autor versucht, so etwas wie eine Kontinuität gefährlichen Linksseins zu beschreiben. Da führt ihn dann der Weg von Stalin über Mao zu John Cage und von diesem zur permanenten Revolution linker Kunstschaffender,…die aber kaum jemand kennt.
Ob der Antikapitalismus wirklich als Hassprojektion auf die eigene Nation taugt, wie er meint?
Das lässt sich vermutlich nur individuell beantworten. Viel eher spielt etwa im Falle Deutschlands der ewige Wiedergänger Hitler und der Holocaust die entscheidende Rolle, während es in Frankreich der Kolonialismus ist und in den USA der Rassismus.
Es wäre auch zu bedenken, dass die Flüchtlingskrise, die richtiger eine Migrationskrise ist, zum Pegel und Gradmesser der moralischen Wohlanständigkeit geworden ist, was sich keineswegs nur im vermeintlich linken Milieu spiegelt, sondern insgesamt in einem umfänglich moralisierten Schuldkomplex seine Entsprechung hat.
Sora berührt die Ebene der Psychoanalyse, wenn er vom Hass John Cages auf den eigenen Wohlstand spricht, einem Selbsthass, der in einen Schuldkomplex mündet.
In dem Verweis auf „Gesellschaftlichkeit als Prägung“ sieht Sora die (linke) Absicht, das Individuum als unmündig zu betrachten und folgert daraus, dass diese These letztendlich zu einem Schuldvorwurf an die Gesellschaft führt, die dann (moralisch) für ein Versagen des Individuums in die Pflicht genommen werde. Das Individuum werde zum „Opfer der Gesellschaft“.
Diese Ansicht ist interessant und offenbart einen Grundwiderspruch. Da nämlich alle Individuen in Gesellschaftlichkeit aufwachsen, ist ihre Prägung durch diese unvermeidbar.
Wir erleben doch gerade durch den invasiven Islam, wie sehr sich eine anders strukturierte und früh prägende Gesellschaftlichkeit und Erziehung auf das auswirkt, was wir Wertewelten nennen.
Wir werden den in religiöser Eintracht mit sich selbst mordenden Moslem nicht von seiner Tat freisprechen, indem wir ihm eine von ihm ungewollte negative Prägung bescheinigen, weil er diese Tat ohne diese Prägung vermutlich nicht begangen hätte.
Falls doch, dann sind wir verrückt geworden!
Dennoch ist der Hinweis des Autors wichtig im Hinblick auf ein sorgfältiges Abwägen von genetisch gesetzten und erworbenen Anteilen. Der alte Streit hierzu ist allerdings das Papier nicht wert, wenn das Bildungssystem marode ist.
Sora erwähnt Cages (berechtigte) Skepsis hinsichtlich der „Macht der Musik“ und fügt hinzu, dass dieser auch über andere Methoden nachgedacht und eigene revolutionäre Theorien entwickelt habe.
Das war aber im Umfeld revolutionärer Romantik sicherlich nicht nur bei ihm so.
Die Einsicht, dass man (unwillige) Proletarier nicht durch Studenten ersetzen kann, hatte sich aber schon sehr früh herumgesprochen, wenngleich solche Ersatz-Strategien im „Geflüchteten“, der LGBTQ+-Ideologie und dem Getöse um vermeintlich unterdrückte Minderheiten ihre Fortsetzung gefunden haben.
Aus einer Strategie der Unterwanderung gleich eine faschistische Vorlage für die Neue Linke konstruieren zu wollen und am Beispiel der NSDAP festzumachen, ist eine bedauerliche Entgleisung des Autors gerade dort, wo eine Abgrenzung nötig gewesen wäre, um totalitäre Anmaßungen exakt zu analysieren und zu beschreiben.
Sora räumt dem Prinzip der Unterwanderung einen großen Raum ein, aber sie ist ja nun wirklich nicht unbedingt eine linke Erfindung.
In wie weit eine demokratische Verfassung damit umgehen muss, misst sich am Stand des demokratischen Bewusstseins des Souverän.
Alles erscheint im Licht einer manipulativen Dekonstruktion.
Neo-Marxisten, Neo-Linke und neoavantgardistische Künstler, vereint in einem Boot auf dem langen Marsch durch die Institutionen mit dem Ziel eines linken Totalitarismus marxistisch-leninistischer Prägung.
Sora scheint eine bruchlose Kontinuität eines linken Totalitarismus zu sehen, der unaufhaltsam auf dem Vormarsch befindlich ist. Dabei macht er die Schuldigen vor allem in der sozialistischen Antike ausfindig, obwohl doch die nachgerade ins Lächerliche mündende Groteske des aktuellen vermeintlichen Links-Liberalismus längst das Zeug zur Realsatire hat.
Auch seine Beschäftigung mit den düsteren Abgründen der Anarchie wäre besser aufgehoben bei der durchaus realen Vermutung eines möglichen Bürgerkrieges im Umfeld der muslimischen Anmaßungen.
Erstaunen löst auch seine Angst vor Homogenität aus, die er im linken Umfeld wittert, wäre sie doch aus nationalstaatlicher Sicht eine wesentliche Voraussetzung für den Erhalt einer kulturellen Identität.
Gerade die grünen Klima-Eliten sehen in ihr eine Ausgeburt des Teufels, wo dieser sich gegen kosmopolitische Diversity positioniert.
Soras wesentliche Aussage ist die in der Person John Cages kulminierende Sinnlosigkeit seiner klanglichen Gebilde und politischen Vorstellungen als ein Synonym für eine vom „Music Circus“ auf die politische Welt übertragene destruktive Sinnlosigkeit gegen Individualität und Freiheit unter rotem Banner.
Dabei begründe sich der Hass auf die freiheitlich verfasste Gesellschaft nach Ansicht Soras im Falle von John Cage ursächlich und letztendliches durch dessen musikalisches Scheitern mit der Folge einer ressentimentbeladenen, links-doktrinären Sicht auf Gesellschaft, was als freudianische Neurose in Erscheinung tritt.
Auf dem rückseitigen Umschlagdeckel ist zu lesen:
„In der westlichen Welt streben totalitäre Kräfte den Umsturz an…“
Das ist richtig und der wache Blick richtet sich auf die Migranten aus dem islamischen Kulturraum, deren durch ihre Imame offen verkündete Agenda, die Unterwerfung des verhassten Abendlandes unter das Kalifat ist.
Dies als eine linke Agenda deuten zu wollen, würde allerdings respektable Dummheit voraussetzen.
Sollte das eine politische Klasse, die sich als linksliberal begreifen will (wenn sie es denn will) nicht begreifen oder begreifen wollen, dann wäre dem Autor Recht zu geben, wenngleich unter völlig anderen Gesichtspunkten.
Das Buch ist im Solibro-Verlag erschienen, hat 412 Seiten
ein Literaturverzeichnis , sowie Hinweise auf andere Bucherscheinungen