Philosophie - Faktum Magazin
Die Reue des Prometheus von
der Gabe des Feuers zur globalen Brandstiftung
von Peter Sloterdijk
– einige Anmerkungen von Michael Mansion

Das kleine Bändchen ist eine Herausforderung, stammt es doch immerhin aus der Feder eines deutschen Meisterdenkers und wenn dieser Prometheus bemüht, um auf etwas hinzuweisen, was er als globale Brandstiftung verstanden wissen will, dann sollte man das ernst nehmen.

Peter Sloterdijk (im Folgenden P. S.) beginnt mit einigen Feststellungen.

Der Mensch wird Mensch durch die Beherrschung des Feuers, aber der Entfesselung moderner Kraftentfaltung gehen nicht Mühlen und Dampfmaschinen voraus, sagt der Autor, sondern „fremdmuskuläre“ Arbeit, also Sklaverei.

Diese Phase reicht bis in die frühe Moderne und P. S. macht hierzu eine ganze Reihe von Anmerkungen, welche die Sklaverei im gesellschaftlichen Kontext spiegeln, welcher in der Antike für ein Selbstverständnis stand.

Allerdings erscheint sie hier als eine rein „weiße“ Angelegenheit, indem sie den Übergang zur Industriegesellschaft ebnet, was P. S. als ein weitgehend „pyrotechnisches“ Geschehen beschreibt, welches Manufakturen gebiert und eine ständige Vergrößerung seiner Brennstoff-Vorräte betreibt, was zunächst forstwirtschaftlicher Natur ist. Es konnte nur entnommen werden was auch nachwachsen konnte.

Den Tyrannen der Antike sei derweil aber noch der Begriff einer Knappheit präsent gewesen, wobei die Befreiung des Menschen aus eben diesen Knappheiten als ein Mythos der Geschichte der Moderne gelten kann.
Mit der Dampfmaschine habe ein metabolisches Zeitalter seinen Lauf genommen.

Vertikale Ausbeutung der Erde

P. S. spricht hier von einer vertikalen Ausbeutung der Erde und verweist auf Rolf Peter Sieferle1 (Der unterirdische Wald). Von Effekten von Waldbränden ist die Rede, welche die Heutigen mit Rückgriff auf das Erdaltertum entzündet haben.

Das führte – so der Autor – zu einer Kraftentfaltung ohne Orientierung und inneren Sinn. Die Welt als Großbaustelle solcherart wirkender Kräfte.

Die Arbeiterklasse als „promethische Klasse“

Mit Verweis auf Marx spricht P. S. vom Proletariat als einem Begriff in der Industriegesellschaft mit undurchschaubaren biopolitischen Implikationen, da sich die Realabstraktion im ökonomischen System handgreiflich vollziehe.
Die Arbeiter seien zum Quell von Wertschöpfung verklärt worden und der Marxismus habe aus der Arbeiterklasse eine promethische Klasse machen wollen.

Vergessen habe man (Marx?) dabei, dass ein kohlebasiertes, metabolisches Regime die Arbeit lediglich als Juniorpartner der maschinell-pyrotechnischen Maschinen begreifen konnte.

P. S. unterstellt hierbei, dass Arbeit nicht in Reinform in Erscheinung gebracht werden kann.
Das ist natürlich richtig und berührt die Gebundenheit von Arbeitsprozessen auf ihrer jeweiligen Basisebene ebenso, wie ihre Zielfindung, wäre sie ansonsten doch nur Selbstzweck, ähnlich einer Idiotischen Strafe.

Menschliche Abhängigketen

P. S. spricht von der „Ware Energie“, welche in das System einer Güterherstellung einfließt und hier meint er das, was er Pyrotechnik nennt.

Man könnte aber auch argumentieren, dass die Nahrung der Arbeiter in die Güterherstellung (letztendlich sogar als Verbrennungsprodukt) einfließt.

Es geht P. S. aber um das Prozesshafte menschlicher Abhängigkeiten von Energie als einem Schlüsselfaktor.
Der „Stoffwechsel mit der Natur“ (Marx), der sich zur Maschinenseite hin verschoben hat, bei gleichzeitiger Einsicht in die Endlichkeit der Ressourcen, sei als Ausgangspunkt sowohl bei Marx als auch bei Max Weber vorfindlich.

Dass die entfesselten menschlichen Großfeuer den Effekt von überschüssigen (?) CO²-Partikeln erzeugen würden, deren anfänglich unmerkliche Akkumulation sich später zu einem eklatanten Phänomen namens Klimawandel verdichten musste, ist für P. S. offenbar unumstößlich.

In einem „Weltprozess“ werden ständig mehr Effekte freigesetzt als unter Formen überlebensfähiger Zivilisationen gebunden werden können, führt er aus.

Das sind zwei sehr wichtige Sätze, mit denen P. S. zunächst das CO² (offenbar alleine) für den Klimawandel verantwortlich macht und machen will. In dem, was er Weltprozess nennt, glaubt er zudem etwas zu erkennen, was zivilisatorisch (und damit positiv gedacht) nicht mehr gebunden werden kann.

Proletarische Kraft

In der explodierenden Produktivität eines zunächst nur kohlegetriebenen Industriesystems sieht er richtigerweise nicht nur das Resultat proletarischer Kraft unter der Regie des Kapitals zur „Überlistung“ der Natur, sondern er sieht auch einige dies begleitende negative Effekte.

Prozesshaft gedacht könnte man diese oder eine ähnliche Betrachtung an dieser Stelle beenden, wohl wissend, dass alles, was wir mit Wohlstand verbinden, die Folge eben dieser Industriekultur ist, von der wir bei aller Kritik zu erwarten scheinen, dass sie dem nicht industrialisierten Teil der Welt caritativ oder gleich mit der Übernahme eines Teils seiner Bevölkerung zu Hilfe eilt.

Dass P. S. in seinen Anmerkungen (Seite 30) die erfinderische Tätigkeit (wie auch die künstlerische) aus „prinzipiellen Gründen“ ihrer Eigenart nach nicht in den Bereich der „Arbeit überhaupt“ übernommen wissen will, verwundert ein wenig, wenn er hier der „Arbeit überhaupt“ etwas grundsätzlich Zwanghaftes unterstellen will.

Dabei ist sein (erneuter) Verweis auf das Sklaventum bedeutsam, weil er hier den Begriff „Ware Arbeitskraft“ in zynischer Bedeutungsgleichheit mit „Ware Mensch“ sieht.

Der Verweis ist hier klar auf die Moderne gerichtet, in der es angeblich keine schwarzen Sklavenhaltergesellschaften gegeben hat, was er so nicht sagt, jedoch offen lässt, weshalb „das Böse an der Arbeit“ beim weißen Mann bleibt.

Prometheus als Schutzherr

In forschender, erfinderischer und spielerischer Intelligenz sieht P. S. eine zweite Kraftquelle von höchster zivilisatorischer Wirksamkeit, wobei der Arbeiter zunehmend zur Begleitursache der energiegetriebenen Bereicherung wurde.

Gerade auch die Chemie habe die Natur zu einem umfänglichen Spielfeld microenergetischer Prozesse werden lassen.

Prometheus sei immer wieder zum Schutzherren menschlicher Selbsterschaffungspläne aufgestiegen und die Erde sei aktuell von Abermillionen Feuern überzogen.

Der philosophische Titan habe jedoch das, was die Menschen aus dem Feuergeschenk machen, nicht gewollt und Günter Anders2 spreche hier von einer prophetischen Scham.

Anders habe Recht, so P. S., denn die Feuergabe habe sich als fatales Geschenk erwiesen, das sich ins Unabsehbare steigere. „Es sammeln sich Rauchwolken, die nichts Gutes bedeuten“.

Unverhohlener Religionsanspruch

P. S. erwähnt die Saint-Simonisten3, die für eine künftige zentrale Ordnung die Vorherrschaft der industriellen Klasse proklamiert hatten.

Dem Religionsanspruch, der dabei unverhohlen zutage trat, wäre das aktuelle Treiben etwa der Grünen an die Seite zu stellen, was der Autor allerdings nicht sagt.

Interessant bei diesen Betrachtungen ist auch der Blick auf die „Müßigen“ in der Gesellschaft, die nicht produzieren, also Teilnehmer an Gesellschaftlichkeit, bei denen es sich in dieser Zeit um fast die Hälfte der Population handelte.

P. S. verwendet mehrere Seiten seines kleinen Buches (Seite 39-46) auf wichtige Einblicke in die Struktur von Gesellschaft in ihrer Differenzierung und Wertung durch Zeitgenossen wie Hegel, Marx oder Proudhon, welchen er unterstellt, es handele sich bei ihrer Theorie um einen Hauptirrtum moderner Sozialphilosophie made in Germany, die als Klassenkriegsdoktrin zu bestürzenden „Erfolgen“ geführt habe.

„Neopharaonische Staatssklaverei“

Eine „neopharaonische Staatssklaverei“ habe sich bis über Kuba, Nordkorea und Kambodscha ausgebreitet und vor allem in der ehemaligen SU und in China großen Schaden angerichtet.

Hier rechnet der Autor mit einer Idee ab, der er auf einer ganzen Reihe von gesellschaftlichen Ebenen analytische Substanz zugesteht, jedoch nicht zugleich auch das Zeug zu einer brauchbaren Staatsdoktrin, welche die Idee von einer besseren Welt zu begründen hätte.

Wie er allerdings darauf kommt, dass die Vertreter der radikalen Linken hatten einsehen müssen, dass die Beendigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen nur durch die Ausbeutung der Erde im Interesse des Menschen zu erreichen sei, das bleibt ein wenig rätselhaft.

Diese Formel sei es gewesen, welche die Botschaft des Frühsozialismus gemeinsam mit jener des Liberalismus in die kommende Generation trug (…).

„Der methodische Nihilismus des Industriesystems wurde durch die wohlklingende Phrase von der Entfaltung der Produktivkräfte unter einer erbaulichen Maske verborgen“.

Nun denn,- vielleicht wäre ja der methodische Nihilismus eher durch kapitalistischen Anarchismus zu ersetzen, was das Problem aber deshalb nicht ganz trifft, weil der kapitalistischen Produktionsweise ein Profitinteresse zugrunde liegt, welchem naturerhaltende Rücksichtnahmen fremd sind und sein müssen.

Der sich maschinell von der Plage der Muskelkraft befreiende Mensch erzeugt – wie der Autor richtig feststellt – ein emanzipatorisches Umfeld.

Eine Ausbeutungsverschiebung

Eine zivilisationsdynamische Tendenz sieht P. S. im Sinne einer Ausbeutungsverschiebung, welche die knapper werdenden Güter (vorübergehend) als sichtbaren Überfluss für ein Streben nach Selbstbestimmung und materieller Stütze in Erscheinung treten lassen. Moderne Gesellschaften seien deshalb so etwas wie Konsumvereine als Kampfverbände vom Typus „Volk in Waffen“.
P. S. sieht die Quellen menschlicher Entlastung ergänzt durch explodierende Massentierhaltungen (Geflügel/Schweine/Fische/Rinder), die einen beispiellosen Zufluss an Proteinen ermöglicht hätten.

Was heißt beispiellos? Würde weniger Protein verabreicht bzw. gegessen, wären die Menschen kleiner und weniger leistungsfähig.
Zugleich steuere der moderne Steuerstaat auf ein Geschehen zu, wo auf jeden Steuerzahler mehrere Empfänger von Transferleistungen entfallen.

Dies wiederum ist allerdings nur möglich in einer modernen arbeitsteiligen Gesellschaft mit den in die Produktion einfließenden Exzessen an fossiler Energie, wie P. S. kritisch hinzufügt.
Der Massenausstoß von Gütern habe aus abhängig Beschäftigten mehr und mehr eine Population von Konsumenten nicht notwendiger (P. S. sagt übernotwendiger) Güter gemacht.

Hier lässt er bereits einen Luxusaspekt anklingen, welcher das Notwendige längst überschritten habe, was ja auch das Wesen von Luxus ist.

Abhängigkeiten von Produkten und Drogenkonsum

Von einem Snobismus der Massen ist die Rede. Es seien Abhängigkeiten von Produkten entstanden, die Analogien zum Drogenkonsum aufweisen.

Der Rezensent merkt hierzu bescheiden an, dass jeglicher Luxus eine Trostfunktion hat, mit welcher die nicht selten schwere Arbeit kompensiert wird, welche dieses Land (noch) am Laufen hält.

Zudem weiß P. S. ganz sicher auch, dass der nicht mehr so alltägliche (kleine) Luxus von den millionenschweren Yachten und Privatjets jener Dollar-Elite getoppt wird, die mengenmäßig nicht sonderlich ins Gewicht fallen, aber über finanzielle Mittel verfügen, welche den Umfang von Staatshaushalten erreichen, was ja offensichtlich auch legal ist und falls nicht, dann müsste es in demokratischen Staaten zu ändern sein.

Angriff auf die Frauenpresse

Sehr schön ist P. S.s Angriff auf die Frauenpresse gelungen, welcher er die Modellierung semi-feministischer, konsumintensiver, in Haus und Büro dynamisch auftretender, und selbstpflegend-narzisstischer Sujettypen unterstellt, bei denen der Faktor Mann zu einem Autonomie-Hindernis, bestenfalles zu einem Accessoir herabgestuft wird. Wunderbar!

Eine Gesundheits-Schönheits- und Wellness-Industrie überflute die entfalteten Freizeitgesellschaften mit einer Abdrängung der Konsumenten in eine passive Position.

Die Explosion der Externalitäten deute auf eine Grenze hin, an welcher die fossil-energetisch gesteuerte Moderne mit kaum länger mißzuverstehenden Zeichen eines Bis-hierher-und-nicht weiter konfrontiert werde.

Ein personifizierter, ethifizierter Planet

P. S. gibt hier eine klare Richtung seiner Überlegungen vor und bemüht eine am Steinkohleverbrauch festmachende energiephysikalische Kritik an einem Lebensstil, der alle früheren Maßstäbe verschoben habe.

Egotechnische Operatoren wie Smartphone, Kreditkarte und Personal-Computer scheinen unentbehrlich.
P. S. bleibt bei seinem Modell der Ausbeutungsverschiebung, womit er (gewollt oder ungewollt) den Planeten personifiziert und quasi ethifiziert.

Die (zunehmende) Ausbeutung des Planeten als moralische Fehlleistung durch die Inanspruchnahme der feurigen Maschinen. Sie korrespondiert aktuell offensichtlich mit anderen moralischen Einsichten, wonach der klassischen Mann-Frau-Beziehung die gleichgeschlechtliche, nicht reproduktionsorientierte Erotik als gleichwertig gegenübergestellt wird, während die Alten und die Jüngeren nur noch über unpersönliche Rentensysteme vermittelt sind.

Ein in die Massen getragener Mobilitätsluxus bis hin zum Sauf- und Sextourismus nebst der Kreuzfahrtindustrie, sieht der Autor kritisch und zielt auf die fossil-parasitären Systeme der Gegenwart in der Gestalt von Saudi-Arabien, Iran und Russland.
Diese fürchten, so P. S., von ihm als Verursacher des Übels gedeutet, die Emanzipation ihrer z.T. noch stammesfamiliären und halbsklavischen Machtverhältnisse.

Das fürchten sie in der Tat könnte man sagen und es ist auch nicht zu erwarten, dass sie (fossil) daraus erlöst werden. Ihr Einfluss auf die westliche Welt generiert sich aktuell aber wesentlich deutlicher in der Gestalt einer offiziell begrüßenswerten Massenzuwanderung, gewissermaßen im Auftrag des Propheten, was für P. S. aber kein Thema ist.

Er rekurriert auf Prometheus und seine Scham, wobei es, wie Günter Anders den Titan fragen lässt, wohl besser gewesen wäre, hätte er dem Menschen das Feuer nie überlassen.

Vermutlich ist es wohl ähnlich wie mit dem Apfel im Paradies.
P. S. sieht in dem Label Nachhaltigkeit eher einen Selbstbetrug.

Beispielloser Mobilitätsanspruch

Das Erlöschen des Mega-Feuers werde auch in den kommenden Jahrzehnten durch den Kohlenhunger von China und Indien verhindert, während ein unstillbarer Treibstoffhunger durch riesige Flotten, sowie private Fahrzeuge, Schiffe und Flugzeuge hinzukomme, was einen historisch beispiellosen Mobilitätsanspruch dokumentiere.

Diese Äußerung tut ein wenig so, als ginge es (zwecks Weltenrettung) primär um das Ende einer Spaßgesellschaft, die ständig und gerne sinnlos unterwegs sei. Da genügt allerdings ein Blick auf den Welthandel und die durch ihn verursachten Bewegungen zu Lande, zu Wasser und in der Luft, um die Frage auf den Plan zu rufen, ob wir uns von diesem Welthandelsmodell nicht besser verabschieden sollten, wenn wir es denn ehrlich meinen und dies mit allen zu erwartenden Folgen.

P. S. bemüht sich (ungesagt) um etwas, was man in England common sense nennt und das müsste (so seine Hoffnung) in die Einsicht aller münden, dass dieses Modell einer Moderne keine Zukunft hat.

In einer Art von promethischer Reue wäre – so P. S. – zu zeigen, auf welche Weise ein Verzicht auf das Feuergeschenk vorstellbar ist oder (meint er) auf seine Beschränkung auf ein weltklimaverträgliches Maß.

Hoffen wir mal, dass P. S. im Besitz der hierfür erforderlichen wissenschaftlichen Parameter ist, weil man ihm sonst vorwerfen müsste, dass er mit individuellen Verbotsvorstellungen hausiert, die sich zweifellos auch mit Vernunft begründen ließen, aber wir haben da so unsere Bedenken (siehe Corona). Auch an einem Mitmacheffekt darf gezweifelt werden.

Metapher „energetischer Pazifismus“

Er spricht von einem energetischen Pazifismus, was eine schöne Metapher ist, wo diese neue Wege der Energiegewinnung aufzeigt. Das spielt auf eine planetarische Ethik an, aber interessanterweise benutzt er nicht den Begriff einer Kreislaufwirtschaft, obwohl doch nur diese imstande wäre, Verbrauch und Gewinnung von Energie in einem Gleichgewicht zu halten, was mit einer globalistischen und kapitalgetriebenen Individualwirtschaft eher nicht vorstellbar ist.

Von progressiven Verkleinerungen der politischen Einheiten gegen die hybriden Verschwendungskonstruktionen von Großgesellschaften ist die Rede, was er dann wohl mit der EU aushandeln müsste, die überschaubare politische Einheiten gerade zugunsten eines Groß-Europa überwinden will.

Es fällt nicht schwer, P. S.`s Meinung zu teilen, wonach kluge Landräte und Bürgermeister in der Regel wesentlich besser über ihre Zuständigkeitsbereiche Bescheid wissen als eine Großverwaltung oder gar ein Bundesstaat.

Das ökologische Anliegen ist ihm wichtig und er macht sich hierzu umfangreiche Gedanken, die in kulturmorphologische Implikationen münden.

Auch findet er (wenngleich vorsichtige) Kritik an den überhöhten Geburtenraten des Südens, was er als malthusianische Falle bezeichnet, aber er kommt gleich wieder zu den Verschwendungskonstruktionen der Großgesellschaften mitsamt ihren Riesenstädten zurück, bei denen er offen lässt, ob sie reformfähig sind oder unregierbar werden, unhaltbare Gebilde hybrider Überverdichtung.

In der Entflechtung der Metropolräume sieht P .S. eine der explosivsten strukturpolitischen Aufgaben der kommenden Jahrhunderte.

Es heißt dann:

„Überdies könnten die Verheißungen neuzeitlich demokratischer Lebensformen endlich von der Zweideutigkeit der Repräsentationssysteme losgelöst und in realdemokratische Verhältnisse überführt werden“.

Sieht man davon ab, dass P. S. von einer wünschenswerten Helvetisierung des Planeten spricht, so bleibt das Gesagte weiterhin leider unkommentiert, gäbe zugleich aber genügend Anlass für einen Diskurs zum Thema Postdemokratie. Nur mal so….als Vorschlag!

Als ein imperiales Gebilde mit „ökologischer Unmöglichkeit“ sei China ein schwer zu überwindendes Hindernis (?), meint P. S. China habe die Selbstbeschränkung eines „Reiches der Mitte“ verlassen, wobei die bange Frage im Raum steht, welche erwünschten Selbstbeschränkungen denn von China zu fordern gewesen wären.

Indem P. S. Chinas Existenz in Abhängigkeit von einem rigorosen Repressionsapparat sieht, der sich mit systematischer Neutralisation von Freiheits- und Dissidenzimpulsen, Massendemagogie und forciertem Militarismus, sowie einem unmenschlichen Verbrauch fossiler Brennstoffe über Wasser hält, lässt er die Frage offen, ob es für China einen angemessenen „grünen Weg“ aus der Armutsmisere eines ehemaligen rückständigen Kolonialstaates gegeben hätte.

Verwundern muss auch der offensichtlich alternative Glaube an eine westliche Resistenz gegen Elemente des Totalitären und das Praktizieren einer nachahmenswerten Demokratie.

Dass China hinter der aktuell evidenten Personifikation eines „Feindes des Menschengeschlechts“ in der Gestalt von Wladimir Putin vorübergehend in den Schatten treten durfte (?), bleibt ein analytisches Geheimnis des Autors., liegt aber wohl messerscharf auf aktuellem Regierungs- und EU-Kurs.

Immerhin konstatiert er, dass sich die Chinesen in den Zonen relativen Wohlstandes an die Domestikation zu einem halbsklavischen Dasein gewöhnt hätten, welches mit einem Bürger-Punktesystem belohnt und bestraft. An Ähnliches wird auch in der EU im Zusammenhang mit einem korrekten Klima-Verhalten gedacht! Wir dürfen gespannt sein.
Man habe sie zu einem unpolitischen Konsumindividualismus bekehrt.

Das System lasse Minderheiten in sklavenhalterischen Zwängen vegetieren. Eine permanente Gehirnwäsche forciere eine Art von Einverständnis.

Sprache und Kultur lieferten die grammatische Matrix eines dienenden und auf ein Dasein im Kollektiv ausgerichteten modus essendi in habitueller Pietätspflicht gegenüber den Eliten.

Ach ja,- das mit der habituellen Pietätspflicht gegenüber den Eliten kommt einem als kritischem Zeitgenossen zumindest hierzulande erschreckend bekannt vor, aber man wird das als polemisch zurückweisen.

Dies evoziere von ferne – nicht zuletzt durch seine quasi-feudalen Aspekte – den Vergleich mit dem auch bei okzidentalen Menschen seit dem Imperium des Altertums endemischen Habitus des servitude volontaire.

Immerhin,- könnte man sagen, ist doch diese Einsicht für unsere aktuelle Migrationssituation nicht unerheblich, was zu der Erkenntnis führen könnte, dass muslimische Kollektive nicht in die Moderne passen und dies auch unabhängig von ihrer Zahl.
Sollte ihre kulturelle Syntax der chinesischen ähnlich sein, was bezweifelt werden darf, dann ist das Verhalten der chinesischen Politik ihnen gegenüber allerdings unerklärlich.

Im Prozess eines emergetischen Pazifismus müsste der Hauptfehler des bisherigen Zivilisationsprozesses (die Beherrschung des Feuers?) aufgedeckt und rückgängig gemacht werden.

P. S. hält es für einen Fehler, den Nationalstaaten (…) mehr oder weniger Reflexhaft (?) und ohne angemessene Prüfungsverfahren (durch den TÜV Rheinland?) das Eigentum an den Bodenschätzen auf ihrem Territorium zuzugestehen. Er möchte diese zu einem Weltkulturerbe der UNESCO ernannt wissen. Das setzt dort dann allerdings eine ähnlich große Weisheit voraus, wie sie Brüssel für sich reklamiert.

Die proximalen „Besitzer“ dürften keinen Vorteil mehr an diesen Menschheitsschätzen haben.
Die Weltwirtschaft sei aktuell dadurch gezeichnet, dass unantastbare Plünderungsprivilegien zufälliger, vom plötzlichen Reichtum berauschter und korrumpierter Besitzer eine beschleunigte und finale Verarmung in Szene setzen, welche die fortlaufend beschleunigte Brandstiftung der Industriegesellschaften antreibe.

Hier sei Russland das Beispiel eines fossil-parasitären Systems, das außer seinen flüssigen und gasförmigen Bodenschätzen nur noch einen einzigartigen Exportüberschuss an Lügen und gewollter Demoralisierung vorzuweisen habe.
Man wundert sich an dieser Stelle ein wenig, wenn der Meisterdenker zum Polterer wird.

Derweil tut man in Russland eigentlich alles, um Demoralisierung zu verhindern, was gar nicht so einfach ist, hat doch das große, sich gerade in einem Krieg befindliche Land, nur die Wirtschaftsleistung Italiens vorzuweisen.

Verwundern muss auch die (idealistische) Vorstellung des Autors, dass sich ein „Weltbodenschatzerbe“ gewissermaßen neutral verwalten ließe, um bei kollektivem (Wohlstands-) Verzicht der gerade aktuellen Generationen noch eine künftige Teilhabe zu ermöglichen.

Man darf wohl vermuten, dass das erneut die Frage nach dem „neuen Menschen“ aufruft, an den man nach dem Scheitern des Kommunismus eigentlich nicht mehr so recht geglaubt hatte.

Im Grunde bleibt P. S. aber skeptisch, wenn er dem angebrochenen Jahrhundert und den zufälligen Besitzern verschwendungsfähiger Ressourcen unterstellt, sie werden (vermutlich) ebenso egomanisch, manipulativ oder bestenfalls patronisierend verfahren, wie zuvor die Grundherren der Feudalzeit.

Die jüngste Gipfelkonferenz der Ölmagnaten habe gezeigt, dass nicht mit einer Rücksicht auf den von Klimatologen erwähnten sog. „Kippmoment“ zu rechnen sei.

„Die Temperaturen steigen – der Kongress tanzt“, meint P. S. und spricht von einer brandstifterischen Ingenieurselite und internationalen Handelsgesellschaften, die auf neue Förderanlagen für die große Tankstelle des globalen Nordens setzen.
Habe man in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts von einem Zeitalter des Misstraunes gesprochen, so nehme die Gegenwart immer stärker die Züge eines Zeitalters der Leugnung an. Wo diese nicht mehr funktioniere, trete eine Spaltung des Bewusstseins und Zynismus an ihre Stelle.

Die Fragen ist, ob man beim Stichwort Leugnung hellhörig werden muss. Es wird hier ja nicht einfach so dahingesagt, sondern an das Zeitalter gebunden. Da wir gerade aktuelle Erfahrungen mit der medial inszenierten Figur des Corona-des Holocaust- und es Klimaleugners gemacht haben und machen, wäre eine Verteidigung in der Sache angesagt.

Indem dabei die Verbindung zum Holocaust hergestellt wurde, womit die Kritik sowohl am Corona-Regiment, als auch an der Existenz von favorisierten Klima-Modellen in den Anruch einer faschistischen Gesinnung gesetzt wurde, wäre eine erklärende Vorsicht vom Autor einzufordern.

Sein Hinweis auf Bruno Latour4 (Das terrestrische Manifest) ist derweil interessant und wertvoll vor allem hinsichtlich dessen Abgrenzung zum schwedischen Aktivisten Andreas Malm, der offen auch für eine gewaltsame Zerschlagung der fossilen Industrie wirbt.

Von einer „ökologischen Klasse“ ist die Rede, der die Fähigkeit zugetraut wird, eine grüne Sozialdemokratie weltweit zu evozieren.
Eine „grüne Sowjetunion“(…) würde dem Hauptproblem unserer Tage nicht gerecht, aber es sei an der Zeit, die fossilenergetische Industrie zu disziplinieren.

Latour ziele auf verzweigte ökologische Demokratien mit konservativen, sozialistischen und liberalen Elementen.
Das sind vorsichtige Gedanken einer Art von Weltvernunft, bei denen man darauf warten darf, dass sie, vermittelt auch an die Underdogs dieser Welt, von den neuen woken Eliten des Westens als Rassismus gedeutet werden.

P. S. ist besorgt und man möchte ihm zurufen, dass man es auch ist, denn die Erde wird unvermeidlich (ob mit oder ohne anthropogenes CO²) eine längere Warmzeit erleben, bevor es in 25-30 000 Jahren wieder ganz schrecklich kalt wird.
Ändern werden wir daran gar nichts, wären aber gut beraten uns nicht wie die Karnickel zu vermehren, weniger Dreck zu machen, mit unseren Ressourcen ökonomisch deutlich besser umzugehen und den Katastrophenschutz zu verstärken.

Einhundert nach Chr. waren wir etwa 17 Millionen auf diesem Globus. Wenn wir gnadenlos auf 10 Milliarden zusteuern, dann wird es auf keinen Fall für alle reichen und das wäre der Humus unvermeidlicher Katastrophen, die sich in Kriegen und endlosen Migrationsbewegungen spiegeln, welche die Aufnahmeländer restlos überfordern werden, was sich aktuell schon abzeichnet und in Bürgerkriege münden wird, wie am Beispiel Frankreichs sichtbar.

Das von P. S. beschworene promethische Feuer war unvermeidlich und wird im alten Europa künftig schwächer brennen, was künftige Generationen vielleicht sogar begrüßen werden, so sie sich zu bescheiden wissen.

Dann richtet sich der Blick der konkurrierenden Akteure des globalen Kapitalismus auf die großen (irgendwann vielleicht Fusions-)Feuer die anderswo entzündet werden, wo man keineswegs so verblendet kopflos ist, wie wir ihnen unterstellen. Im Falle von China hatte man sie in kolonialer Überheblichkeit um die Wende des vergangenen Jahrhunderts für faul und dreckig gehalten.

Werch ein Illtum hätte Ernst Jandel gesagt.

Anhang:

  1. Rolf Peter Sieferle – deutscher Historiker (1949-2016)/etablierte einen energetischen Ansatz in der Umweltgeschichte. Zahlreiche Werke auch zur Geschichte der Migration und zu den Elementen eines konservativen Verständnisses.
  2. Günter Anders (1902-1992)/ deutsch-österreichischer Philosoph/Beschäftigung vor allem mit ethischen und technischen Problemen seiner Zeit/Hauptthemen: Zerstörung der Humanität/Technologiekritik/Medienphilosophie
  3. Saint-Simonisten: Frühsozialistische Denkschule nach dem Tode von Henri Saint-Simon (1825) als zugleich quasireligiöse Denkrichtung mit einer Idealvorstellung von Gesellschaft (Produzentensozialismus) auch durch Abschaffung des Privateigentums.
  4. Bruno Latour (1947-2022)/französischer Soziologe und Philosoph, Wissenschafts- und Techniksoziologe/zahlreiche Arbeiten zur Moderne (Das terrestrische Manifest), dem Wesen des Politischen und der Existenzweisen.