Was ist gender?
Die Einhegung des Wahnsinns.
Wenn im folgenden Text das erste Personalpronomen Singular auftaucht, ist dieses „Ich“ vorzustellen als ein vom Feminismus bezahlter Lobbyist, der den Auftrag hat, das Genderkonzept populär zu machen. Ich schlüpfe in diese imaginäre Person, die sich, um ihrem Auftraggeber maximalen Nutzen zu stiften, ein möglichst objektives Bild vom gender macht. Diese Änderung der Perspektive auf gender vermeidet einerseits Voreingenommenheit, andererseits ist ihr der Gegenstand wesentlich, so dass seine Darstellung anschaulich und packend wird. Zur Analyse bediene ich mich der Negation des in sich gespaltenen Feminismus, wodurch ich seine positive Beschreibung erhalte. Ein Antifeminismus, der systematische Behauptungen des Feminismus systematisch negiert, bringt den feministischen Diskurs zum Erliegen. Ein Ziel als Lobbyist wird sein, die Systematisierung des Feminismus einzudämmen oder anders formuliert, ihm das Denken auszutreiben.
1. Einleitung
Die Alchimistin Judith Butler hat die drei Ausdrucksformen der vaginalen Kategorie, nämlich Psychoanalyse, Prävalenz der biologischen Vagina und Leugnung der biologischen Vagina, gemischt und das gender erschaffen. Durch Zutat des ökonomischen Prinzips hat der Neoliberalismus es zu gender mainstreaming veredelt.
Viele Menschen haben eine Spannung zwischen innerer Klarheit, die sich ihren Gegenstand nimmt und innerer Dunkelheit, die ihren Gegenstand als übermächtig empfindet. Ein Vorurteil besagt, dass die Thematisierung dieser Spannung männlich, ihre Befriedung weiblich sei. Eine mögliche äußere Organisationsform dieses Spannungsverhältnisses ist die Familie. Hier wird das Spannungsverhältnis verdoppelt und verteilt. Im Innenverhältnis der Familie wird die Innerlichkeit des Außenverhältnisses geklärt und der Familiengegenstand dem Zugriff durchs Außenverhältnis entzogen. Das Außenverhältnis erhellt das Innere der Familie und entzieht seinen Gegenstand, den Beruf, vor ihrem Zugriff. Hier erscheint der Gegenstand sowohl klar, als auch dunkel, je nachdem, aus welcher Perspektive er gemommen wird.
Diese Deutung des Männlichen, Weiblichen und der Familie stammt vom Feminismus, der es negativ formuliert: Familie ist nach ihm ein patriarchales Konzept, in dem die Frau auf das Innenverhältnis verwiesen wird (= Der Gegenstand des Innenverhältnis wird dem Außenverhältnis entzogen) und zur Reproduktion des männlichen Machtanspruchs dient (= das Dunkle des Außenverhältnisses – seine Innerlichkeit – wird vom Innenverhältnis – die durch die Frau verwaltete Familie – geklärt). Frauen werden unsichtbar gemacht (= dem Innenverhältnis wird der Gegenstand des Außenverhältnis entzogen) und die weibliche Sicht abgewertet (= das Dunkle des Innenverhältnisses wird geklärt). Eine Frau, die eine Familie mit einem WHM will, ist nach dieser Logik männlich. Eine Frau, die die Auflösung der Familie in ein Kollektiv will, ist weiblich. Dem Feminismus fehlt das ambivalente Verhältnis zum Gegenstand. Er sieht in ihm nicht sowohl Geheimnis, als Klarheit. Er sieht in ihm nur Nutzen.
Gender als Ideologie trifft auf Ökonomie
Dies ist auch die Perspektive der Ökonomie: außerhalb seiner Verwertung ist der Gegenstand Liebhaberei. Die Gier oder das Begehren gibt dem Gegenstand seinen Wert. Das männliche Prinzip ist für beide Mittel zur Erreichung des gegenständlichen Nutzens. Je mehr das Spannungsverhältnis Subjekt-Objekt beherrscht wird, desto mehr wird das männliche Prinzip, das die technologischen Voraussetzungen für seine Beherrschung erfindet, obsolet. Beide, Feminismus und Ökonomie, wähnen sich mächtig über die Dinge. Beide verkünden das Ende des Mannes, der noch einem Ding an sich, einem Maßstab außerhalb seiner selbst nachhängt. Ihre Gemeinsamkeit ist der Nutzen. Darüber hinaus haben sie keine Verbindung. Deshalb vagabundieren sie im Feld des anderen. Genderismus verfolgt die Aushebelung des ökonomischen Prinzips und will den Nutzen direkt. Neoliberalismus verfolgt die Aushöhlung des Gynozentrismus, um den wirtschaftlichen Ertrag zu vermehren.
Ein Lobbyist des Feminismus versucht einen Ausblick
Genderismus erhält seine Macht durch die Verbindung mit dem ökonomischen Prinzip, das die Frau aus dem Innen- in das Außenverhältnis drückt. Die Prävalenz der Kategorie der biologischen Vagina ist einerseits das überhitzte Symptom einer Abwehr der Erosion des Gynozentrismus, eine Erosion, die die Ökonomie fordert. Die These vom Ende des Mannes ist in dieser Hinsicht der verschleierte Ausdruck des Beginns vom Ende der Frau.
Andererseits empfängt die Ökonomie den Genderismus mit offenen Armen. Der Genderismus befreit den triebhaften Feminismus von der Last des Gebärens und entbindet ihm von der Kultur der Selbstbeschränkung. Dies wird von vielen als Verstärkung des Gynozentrismus empfunden. Es handelt sich aber um seine Aushöhlung. Der Instinkt, die Triebe, die Gier nach Status, Geld und Konsum sind, neben dem Prinzip der Hingabe und des Opfers, Bestandteile des eigentlichen Gynozentrismus.
Die Begierde wird von ihrem Pendant (Familie, Gebären) befreit und zur Ausbeutung bereitgestellt. Der neue homo oeconomicus wartet auf seine Verwertung. Neben der Immigration und der flächendeckenden Kinderbetreuung, fehlt noch die Einführung der künstlichen Gebärmutter. Dann würde die Frau endgültig vom Innen- in das Außenverhältnis gewechselt sein. Ein Mann könnte das Innenverhältnis nur übernehmen, wenn Frauen sich selbst begrenzten, indem sie sich für ein Innenverhältnis opferten, auf das sie keinen Zugriff hätten. Das ist unvorstellbar. Die Zukunft der Frau ist gender, dessen Maxime nach Judith Butler Begehren und Genuss ist.
Die Entgrenzung des Weiblichen
Ein Genuss ohne Grenze ist hohl. Der Feminismus setzt die Grenze außerhalb der Frau. Von außen würde sie beschränkt. Der Genuss erhielte dadurch Maß. Die behauptete Diskriminierung im Genderismus ist konstitutiv, um gender das Parasitäre zu nehmen. Parasitär wird ein Genuss, wenn ihm jede Grenze fehlt. Die Grenze, welche dem Genuss Maß gibt, soll nicht innerhalb des Genusses sein, sondern außerhalb. Nicht die Frau soll sich beschränken, sondern ein sie beschränkendes Patriarchat soll die Vorlage zur Unbeschränktheit des Genusses liefern.
Die Männerrechtsbewegung bekämpft den Gynozentrismus. Insofern unterstützt sie das ökonomische Prinzip. Sie hofft, dass nach Abschaffung des Gynozentrismus die Frau ihre Grenze in sich selbst setzt und eine neue Solidarität zwischen Männer und Frauen entsteht (was einige bezweifeln, die einen modernisierten Gynozentrismus vorziehen).
gender als undeutlicher Ausdruck
Ich bin also ein Lobbyist des Feminismus. Als Antifeminist gebe ich den Advocatus Diaboli. In den folgenden vier Beiträgen nähere ich mich dem Begriff gender. Am Ende dieser Reihe werde ich ihn definieren.
gender scheint kein konkreter Gegenstand zu sein, wie er der Mathematik, Biologie oder Soziologie vorliegt. Er entspringt eher einer Denkhaltung oder Weltsicht, die sich entlang der Autoren Foucault, Lacan, Deleuze, Derrida und einiger Texte aus der analytischen Philosophie darstellen lässt. Die Absicht des Antifeminismus ist, gender aus seiner Mystifizierung zu lösen, ihn von allen Nebenbedeutungen zu befreien und ihn positiv darzustellen.
Gegenbewegung zum gender-Konzept, die behauptet, dass Männer und Frauen beide sowohl weiblich als männlich, aber darin unterschiedlich sind
Mit der vaginalen Kategorie verklebt der Feminismus die sprachlichen und gesellschaftlichen Räume des Männlichen und kriecht in jede Ecke seines Ausdrucks. Die feministische Interpretation des Männlichen beschreibt statt des Bildes sich selbst.
Wenn man für das Männliche den Phallus nimmt, dann wäre das Gegensymbol die Vagina, die sich um ihn schmiegt. Von einem anderen Blickpunkt aus, ist der Penis ein verletzlicher, in seinem Nest liegender Vogel und die Vagina die klitorale Erregung, die ihn begehrt.
Beide haben das Männliche und das Weibliche in sich. Die Erektion, die Tat, die Setzung kann von Frauen oder Männern ausgehen. Das Fürsorgende, Einfühlsame, Erhaltende kann von Männern oder Frauen ausgehen. Auf beide, Frauen und Männer, passen die Symbole Vagina und Phallus.
Die feministische Interpretation dieses Bildes ist die Nichtanerkennung der homogenen Verteilung des Männlichen und des Weiblichen auf die biologischen Geschlechter. Die Nichtanerkennung der unterschiedlichen Ausformung des Männlichen und des Weiblichen an den biologischen Geschlechtern ist die Interpretation des Genderismus.
Skeptizismus als Ursache der Umdeutung des Geschlechts
Die nachfolgenden Überlegungen beschreiben die mentalen Verformungen, die nötig waren, um der Ideologie des Geschlechts Zutritt zum mainstream zu ermöglichen oder anders ausgedrückt, die Geschlechtsinterpretation des Genderismus glaubhaft erscheinen zu lassen. Männer waren die Hauptakteure dieses Zuschneidens des Intellekts.
Hier habe ich die These aufgestellt, dass der Feminismus ein instabiles und der Genderismus ein skeptisches Bewusstsein sei. Diese These hatte als Voraussetzung, dass die Akteure beider Ideologien selbstbewusste Subjekte sind. In diesem Beitrag geht es um die Skeptik des Poststrukturalismus, die der Genderismus verwendet, um sein Bild des Geschlechts zu begründen.
2. Was ist soziales Geschlecht?
a. Schwierigkeit der Bestimmung
gender als Geheimwissen einer elitären Minderheit
Die Vertreter des Genderismus sagen, ihr Gegenstand, das soziale Geschlecht, sei konstruiert. Die Konstruktion geschähe durch etwas, das außerhalb des Bewusstseins und des Denkens liege. Wäre der Ursprung des sozialen Geschlechts im Denken, bräuchte es nicht das Konzept des Geschlechts. Wäre der Ursprung im Biologischen, bräuchte es nicht das Konzept der Konstruktion. Wäre das soziale Geschlecht nur sozial konditioniert, bräuchte es nur das Konzept der sozialen Rolle. Es soll jedoch entstanden sein aus etwas, das die Biologie, das Denken und die Gesellschaft übersteigt.
Die Kritik am Genderismus kann sich daher nicht an Genderisten richten, sondern nur an das, was außerhalb des Denkens die Konstruktionen verursacht. Ein Genderist ist lediglich der Zeuge und passive Gegenstand dieser Formung seiner sozialen Geschlechtlichkeit. Das Symptom der Formung ist die Geschlechterrolle. Nur sie ist der empirisch zugängliche Gegenstand. Will man darüber hinaus das Wesen von gender bestimmen, steht man vor einer Unsagbarkeit, die nur mittels eines spezifischen mindsets hintergehbar ist. Man muss zur Religion des Genderismus konvertieren, um in ihm wissenschaftlich tätig zu werden. Außerhalb desselben ist ein Verständnis von gender unmöglich. Wenn daher Michael Klein oder Hadmut Danisch eine Erklärung der Genderisten über ihr wissenschaftliches Selbstverständnis fordern, können sie keine Antwort erwarten, denn dort gibt es keinen, der in ihrer Sprache antworten kann.
Das Wesen von gender ist nicht empirisch
M. Klein solle vielmehr, so ein Vorschlag, die Werdung des sozialen Geschlechts selbst in Augenschein nehmen und mit wissenschaftlichen Methoden bestimmen. Dieser Versuch wird ihm die Einsicht bringen, dass dieses Etwas, das die Subjekte forme, sich nicht zeigen kann und immer einer Messung entzieht. Denn wenn dieses Etwas sich zeigte, so wäre es schon nicht mehr es selbst, sondern nur das, was es gemacht und von sich abgesondert habe: Subjektivität oder konkreter: konstruiertes Geschlecht.
gender übersteigt jedes Wissen
Der Schluss, gender studies seien unwissenschaftlich, weil sie das Wesen ihres Gegenstandes nicht kommunizieren können, ist nach Meinung der Genderisten nicht gerechtfertigt, weil das Bewusstsein für die Formung des sozialen Geschlecht einen Wert darstelle, den es zu fördern gelte. Der Einwand, die Förderung und Pflege des Bewusstseins für die Werdung des sozialen Geschlechts sei keine Wissenschaft, bekäme als Antwort, beim sozialen Geschlecht handelte es sich sowohl um ein politisches, als auch um ein wissenschaftliches Phänomen, weil die Konstruktion des sozialen Geschlechts alles durchdringe, auch das wissenschaftliche Erkennen selbst. Denn jedes Objekt der Erkenntnis hätte ein Subjekt als Voraussetzung und wäre seine Funktion. Dies habe schon Kant herausgefunden. Dessen Kategorien, durch die sich ein Denken zwingen müsse, seien jedoch ungenügend, weil sie ihrerseits von einer noch grundlegenderen Kategorie abhingen, die das Denken übersteige: dem sozialen Geschlecht. Mit dem Subjekt als unabhängiger Variablen ändere sich das erkannte Objekt und da die Subjekte wesentlich soziales Geschlecht seien, seien die Objekte der Erkenntnis eine Funktion des sozialen Geschlechts. Auf der anderen Seite würde das Subjekt beeinflusst von der Objektivität des sozialen Geschlechts, d.h., der Geschlechterrolle. Die wissenschaftliche Arbeit der Genderstühle sei die Offenlegung des wechselseitigen funktionalen Zusammenhangs zwischen Erkenntnisobjekt und sozialem Geschlecht (Subjekt). Dem letzten Argument, eine Untersuchung der Kategorien des Denkens sei Philosophie und könnte dort abgehandelt werden, erhielte den Hinweis, dass das soziale Geschlecht als Kategorie des Bewusstseins eben ausserhalb des kategorialen Denkens liege, hiermit eine Untersuchung nur vom Denken aus, was Philosophie wäre, nicht möglich sei.
gender und Glaube
Würde man den dialektischen Materialismus, Gott oder das fliegende Spaghettimonster an die Stelle des sozialen Geschlechts setzen, könnte die oben angeführte Argumentation ähnlich geführt werden. In der DDR gab es den Studiengang Marxismus. Im Iran kann der Glaube wissenschaftlich erforscht werden. Es ist nicht unvorstellbar, dass, nachdem die transzendentale Kategorie des sozialen Geschlechts universitäre Weihen erhalten hat, die Wirksamkeit des fliegenden Spaghettimonsters wissenschaftlich erforscht werden wird.
b. Foucault als Bezugsrahmen für das Konzept des sozialen Geschlechts
Die Bestimmung, was soziales Geschlecht sei, führt über den Skeptizismus
Die oberflächliche Betrachtung des Genderismus führt also zu dem Widerspruch, dass die Existenz des sozialen Geschlechts behauptet und seine Werdung wissenschaftlich untersucht werden soll, aber mit wissenschaftlichen Methoden lediglich die Untersuchung seiner Symptome (Geschlechterrollen) möglich sei. Ein Beweis der Existenz des sozialen Geschlechts und die Untersuchung seiner Werdung ist unmöglich. Aus diesem Widerspruch könnte sich der Genderismus winden, wenn die Untersuchung der Symptome ein Muster hervorbrächte, das der Falsifikation widerstände. Dann würde man dieses Gesetz eben soziales Geschlecht nennen. Doch leider fügen sich die Symptome nicht der angenommen Ursache. Sie verfangen sich in ein Netz von Widersprüchen. Die Tatsache, dass das empirische Genderparadoxon (= gender ist nicht fluid) nicht hinreicht, den Genderismus zu verwerfen, falsifiziert unmittelbar die These, Genderismus (= gender ist fluid) sei wissenschaftlich.
Skeptizismus als Übertreibung der skeptischen Haltung
Das Pflegen, Erhalten, Erweitern, Sammeln, Wertschätzen und Nichtüberwinden von Widersprüchen ist ein sicheres Anzeichen des Skeptizismus. Skeptizismus gibt es in vielen Varianten. Mal spürt er Widersprüche auf, indem er einer Aussage durch ihre wörtliche Auslegung verfremdet. Hier ist seine sammelnde Tätigkeit im Vordergrund. Dann ist er nur feindlich gegenüber Schlüssen, die sich nicht unmittelbar auf empirische Daten stützen: hier ist seine Liebe zur Inkonsequenz maßgeblich. Der Skeptizismus des Genderismus ist ebenfalls inkonsequent. Er ist nicht radikal.
Ein radikaler Skeptizismus muss in der Selbstauflösung enden. Am Schluss würde ein kompromissloser Skeptiker die Sandkörner der Sahara zählen, solange, bis ihm auch der Zahlbegriff zweifehaft wird. Keiner weiß, ob und vieviele Nihilisten solchen Schlages gelebt haben oder leben. Ihr Zustand müsste einer schweren Depression ähneln, mit dem Unterschied, dass der Zweifel keinen gehirnorganischen oder traumatischen Ursprung hat, sondern aus der Verzweiflung am Logischen stammt. Auch wenn man einen radikalen Skeptizismus ablehnt, ist seine konsequente Durchführung achtenswert.
PSS
Der Genderismus ist ein nicht-radikaler Skeptizismus. Vertreter des Genderismus haben ein Interesse an das eigene Wohlergehen. Ich nenne den dort wirkenden Skeptizismus poststruktuaralistischen Skeptizismus (PSS).
Michel Foucault, ein bedeutender Vertreter des PSS, behauptete:
„Darum ist die zweideutige Stellung des Menschen als Subjekt und Objekt meines Erachtens heute keine fruchtbare Hypothese, kein Gegenstand fruchtbarer Forschung mehr“
„Der Mensch hat die Geschichte seines Wissens nicht bewusst geschaffen, vielmehr gehorcht die Geschichte des Wissens und der Humanwissenschaften gewissen Determinanten, die sich unserer Verfügungsgewalt entziehen. Und in diesem Sinne verfügt der Mensch über gar nichts mehr: weder über seine Sprache noch über sein Bewusstsein und nicht einmal über sein Wissen.“
Um in Interviews diese Weisheit zu verbreiten, flog er mit Flugzeugen in alle Erdteile. Den Widerspruch, dass Flugzeuge Produkte (Objekte) autonom denkender Flugzeugbauer (Subjekte) sind, welche über technisches Wissen verfügen und komplexe technische Objekte nicht das Ergebnis anonymer Strukturen sind, hätte er als banalen Einwand zurückgewiesen. Und tatsächlich, wer würde ernsthaft von einem skeptischen Menschen verlangen, auf die Nutzung menschlicher Erfindungen zu verzichten? Der Einwand wäre unpassend, weil der adressierte Skeptiker nicht radikal zweifelt. Der Satz: „Der Mensch hat kein Wissen, er denkt nicht, sondern es denkt.“ ist also anders zu verstehen. Er ist nicht wörtlich gemeint. Dies ist das erste Merkmal des PSS: er bezweifelt nicht eine metaphysische Aussage, weil er ihren Widerspruch aufzeigt, indem er zum Beispiel die Aussage wörtlich auseinandernimmt, wie es die analytische Philosophie macht, sondern er spricht selbst metaphysische Sätze („Es gibt kein Denken“), die nicht wörtlich genommen werden sollen.
Der Skeptiszismus in seiner poststrukturalistische Fassung ist religiös
Dieser Skeptizismus trifft Aussagen, die symbolisch genommen werden sollen. Er ist damit wie eine Religion, die ihr innerstes Wissen auch symbolisch verstanden wissen möchte und Kritik an ihre Wahrheit als banal und unverständig zurückweist.
Der Skeptizismus des PS unterscheidet sich von einer Religion insofern, als die Religion an sich selbst glaubt. Der PSS ist eine Religion, die nicht an sich selbst glaubt. Dadurch ist er sowohl Religion, als auch Skeptizismus, ein Zwitterwesen: religiöser Skeptizismus. Wenn ein Bewusstsein einerseits durch eine symbolische und dramatische Sprache einen Glauben heraufbeschwört („Es gibt kein Denken“) und gleichzeitig nicht daran glaubt, weil es sich die praktischen Folgen des Gegenteils („Es gibt Denken“) gefallen lässt, so stellt sich die Frage nach dem Sinn dieser widersprüchlichen Mühe. Welchen Nutzen hat ein Bewusstsein, das Gegenteil des Denkens als das Wesen des Denkens zu behaupten oder anders ausgedrückt, die Lüge als das Wesen des Denkens festzustellen? Foucault hatte doch mit Wohlbehagen die praktischen Folgen erfinderischen, sich nicht widersprechenden Denkens genossen. Wozu diese künstliche Differenz, wenn eine Kongruenz viel leichter zu haben ist, nämlich die These, dass es einerseits autonomes Denken einfallsreicher Flugzeugbauer gibt und dieses Denken kongruent zu seiner ausgedrückten Form ist: dem Flugzeug.
Sartre hatte Foucault vorgeworfen, er würde schreiben, was die Masse hören wolle. Deswegen sei er erfolgreich. Das Lob des Publikums sei das Motiv für seine These des Nichtdenkens. Denn das Publikum wollte von der Last, autonomes Subjekt zu sein, befreit werden. Den Erfolg eines Autors als Gradmesser für seine Willfährigkeit zu nehmen ist problematisch, weil dann zum Beispiel Sartre, der noch größeren Erfolg hatte, ein harmloses Schaf gewesen wäre. Diese Argumentation von Sartre war wenig aussichtsreich, Foucault zu diskreditieren, weil Sartre ein ingenieuses Subjekt voraussetzte, um fehlende Ingeniosität bei Foucault kritisieren zu können. Doch Foucault lehnte diese Voraussetzung einfach ab. Sartre begegnet Foucault nicht auf dessen Feld.
Der Skeptizismus in seiner postrukturalistischen Fassung ist positivistisch
Ein anderes geflügeltes Wort spricht von Foucault als glücklichem Positivisten. Ein Positivist hält sich an empirischen Daten und verdrängt alle Spekulationen. Das Faktum, am besten in Maßeinheiten spezifiziert, ohne alle emotionale Zutat. Glücklich wird ein Positivist dann, wenn er sich inkonsequent verhält, d.h., wenn er die metaphysischen Ingredienzien seiner Weltsicht nicht zur Kenntnis nimmt. Wäre er konsequent, müsste er jede Bildung von Einheit in der Wahrnehmung als subjektive Zutat aus seiner Wissenschaft ausschliessen. Er müsste eine künstliche Sprache erfinden, um die rein empirischen Data wiederzugeben, denn jede natürliche Sprache hat das Gift der Allgemeinheit und des Logischen in sich. In diesem Sinne ist Foucault ein glücklicher Positivist, weil er bei seinen Flügen über die Weltmeere inkonsequenter Weise auf die zeitbeständige Einheit eines Flugzeugs vertraut, dessen konkrete Materie nach allgemeinen, Tiefe und Sinn habenden Begriffen angeordnet wurde. Dies ist das zweite Merkmal des PSS: er nimmt nach Belieben Allgemeines als Positivum und klammert dessen metaphysischen Implikationen aus. Dies ist für ihn kein Widerspruch, nur für uns, die wir von außen auf seine Lehre schauen und sie beim Wort nehmen.
Der Skeptizismus in seiner postrukturalistischen Fassung hat eine Dreiecksform – er springt von Ecke zu Ecke
Damit ist die Grundhaltung des Poststrukturalismus bestimmt: er ist ein religiös-positivistischer Skeptizismus. Alle drei Terme negieren sich. In dieser Widersprüchlichkeit erkennt sich der widersprüchliche Feminismus wieder. Auf diesen Boden externalisiert der Genderismus den internern Widerspruch des Feminismus. Der PSS wird für alle Zeit der Höhepunkt der Darstellung des Feminismus sein. Der ternäre Widerspruch (positiv-skeptisch-religiös) ist der Grund der Hartleibigkeit des PSS. Um ihm bei Leibe zu rücken, bedarf es mehr als ein paar guter Argumente oder empirischer Gegenbeweise. Führt ein Kritiker ein positives Faktum als Gegenbeweis ins Feld, reagiert der PSS skeptisch. Verhält er sich skeptisch gegenüber der Skepsis des PS wird dieser positiv, indem er auf die gestaltende Positivität von Macht verweist, welche die Oberflächenstruktur einer alles durchdringenden Differenz sein soll. Mit der grundlegend sein sollenden Differenz bringt er den religiösen Aspekt seines Denkens ins Spiel. Verweist dagegen der Kritiker auf den eigenen religiösen Glauben, wird er vom PS skeptisch zer- und positivistisch widerlegt.
Ich steige hinab in das Wurzelwerk, in das Rhizom
Während ich über Foucault sinnierte, geschah folgendes. Ich erinnerte mich ohne ersichtlichen Grund an ein Gemälde Bruegels:
http://austria-forum.org/attach/Wissenssammlungen/Essays/Kunst/Bauernhochzeit/scaled-400×317-Tanz.png (Foto: © Bilddatenbank, Institute of Arts, Detroit.)
Ein Thema des Bildes ist ganz offensichtlich die sexuelle Begierde. Ist das nicht auch ein Thema Foucaults? Vorn sieht man drei tanzende Männer mit erigiertem Glied, von geilen Tanzpartnerinnen ermutigt, und weiter hinten eine Gruppe von drei Männern, von denen sich einer am Geschlecht eines anderen zu schaffen macht. Auch zwei tanzende Frauenpaare sind zu sehen – vielleicht sind sie lesbisch? Die Sogkraft dieses alten Gemäldes erfasste mich, ich stieg förmlich ins Bild, um ihm weitere Details zu entlocken. Ich verlor den Bezug zu meiner Umwelt oder vielmehr, meine Umwelt schien sich zu ändern. Plötzlich war mir, als sei ich nicht mehr der zynische Lobbyist, sondern wirklich ein Antifeminist, der an sich glaubte. Konnte ich so naiv sein? War ich in einem Traum? Die Konturen meines Zimmers gerieten in Bewegung, ein beißender Schwefelgeruch fuhr mir in die Nase und zu meinem Schrecken öffnete sich vor mir ein Schlund, aus dem Feuer leckte und Qualm entfuhr. Daraus stieg langsam ein verrußter riesiger Schreibtisch hinter dem eine ebenfalls angeräucherte bebrillte männliche Gestalt mit Glatze saß. OMG! WTF! Foucault war aus der Hölle entstiegen und zu mir ins Wohnzimmer gekommen!
Der Dialog des Schreckens
„Was willst Du?“, frage er mit mitleidlosen, kalten Augen und in schneidendem Ton. „Wieso hast du mich aus der Hölle geholt? Ich hatte mir gerade einen glühenden Dildo von einem Kentaur in den Anus schieben lassen! Du erwartest doch nicht, dass ich auf deine defiziente Polemik eingehe? Die Genderisten, meine Schüler, machen es ganz richtig, wenn sie dem reaktionären Neoliberalen Michael Klein die Antwort verweigern.“ Vollkommen aufgelöst erwiderte ich stotternd, ich sei nur vorgeblich Antifeminist. Er fegt meine Worte herrisch hinweg und konstatierte mit mitleidloser Verachtung: „Du dienst einem ausgedienten Konzept von Subjekt und Objekt. Du glaubst naiv an deiner Allmacht über das Objekt. Lächerlich! Mache deine Augen auf, dann siehst du, dass nicht deine Helligkeit ein dunkles festes Objekt beleuchtet, sondern dass das Objekt gar nicht fest, gar nicht dunkel ist, sondern du bist es, der dunkel ist! Nicht du beherrscht das Objekt, sondern das Objekt ist es, das dich zurichtet.“ Mit gefasstem Mut erwiderte ich: „Ja, das Objekt bestimmt mich, aber ich bestimme auch das Objekt. Es liegt ein Wechselbezug vor. Ich habe keine Allmacht, bin aber auch nicht ausgeliefert.“
Angewidert antwortete Foucault: „Wenn du einen Wechselbezug einführst, dann nur im Denken, innerhalb deiner selbst vollziehst du ihn. Du setzt dich erstens als Subjekt ohne Grund voraus und zweitens verbleibst du darin mit deinem putzigen Wechselbezug. Ich hingegen lege das denkende Subjekt ad acta, um Erfahrungsbereiche auszumessen, die das Subjekt überschreiten! Mit diesem Blickwinkel sehe ich, dass deine sogenannte Realität nur scheinbar ist. Sie stammt nicht vom Subjekt. Sie ist aber auch nicht ohne es. Sie entsteht mit ihm. Deine Realität ist Imagination. Sie ist vollkommen im Diskurs ausgebreitet und dieser Diskurs erzeugt erst das Subjekt und seine lachhafte Realität, die in Wirklichkeit nur seine Einbildung ist. Es gibt für dieses Subjekt nichts außerhalb desselben, im Besonderen gibt es kein Subjekt vor und außerhalb des Diskurses. Was du als Realität betrachtest ist nur eine Wolke, die sich vom Diskursteppich abhebt: nur Einbildung, die du Naivling Realität nennst. Wenn du eigentliche Realität erleben willst, dann folge mir. Folge dem Marquis de Sade. Folge Nietsche. Die Realität, von der ich spreche, ist außerhalb dieser Wortlandschaft. Sie ist da, wo sich die Verbindungen zwischen den Wörten, nenne sie Signifikanten, gelockert, gelöst hat. Schau in diese Spalten. Schau in diese Abgründe. Das ist Realität! Das Konzept des Subjekts ist nur eine vorübergehende Modeerscheinung. Wenn ich vom Denken rede, brauche ich kein Subjekt. Der Diskurs selbst ist die Instanz, die so etwas wie Denken macht, allerdings ist das Wort Denken unangebracht, weil es mit dem Subjekt verwoben ist. Im objektiven Sinne gibt es kein Denken.
Das Subjekt ist ohnmächtig, unterworfen, ein Insekt! Unterwerfung ist ein sehr gutes Konzept. Es impliziert einen widerstrebenden Willen und Eigenständigkeit, aber auch bereitfälliges, lustvolles Einfügen.“ Hier machte er eine kleine Pause, lächelnd leckte er seine Lippen, offenbar erinnerte er sich an etwas Angenehmem. „Ein Erleiden, Fühlen des Körpers, der Macht, die vom Körper Besitz ergreift“, fuhr er fort. „Ein Erspüren des Wesens der Macht im Erleiden von Macht, eine Komplizenschaft, eine Raumgewinnung durch das Surfen auf der alles durchdringenden Macht, weil Macht nicht nur niederhält, sondern auch bildet“.
Abgestoßen von der Glorifizierung der Macht, Kontrolle und Unterwerfung, ätzte ich: „Du hast in einem Interview gesagt, dass du mit dem Konzept der Liebe nichts anfangen kannst. Es müsse immer spannend sein in der Beziehung, ein permanenter mindfuck! Ein praktizierender Sadomasochist erklärt die Bildung des Subjekts. Grotesk. Was soll denn da anderes herauskommen als Unterwerfung und Kontrolle? Ich spreche von einer ganz anderen Raumgewinnung, einer anderen Macht. Wenn Liebe und Menschlichkeit und nicht Wahnsinn deine Maxime wären, würdest du bessere Bilder der Subjektbildung heranziehen. Zum Beispiel einen Vater, der mit seinem Sohn einen Drachen baut, um ihn dann, an stürmischer Küste, die Erfahrung des Wechselspiels der Kräfte machen zu lassen. Das Kind würde dort nicht nur die Erfahrung machen, dass er der Baumeister des Drachens, sondern auch sein Diener sei, wenn er ihn in den Winden über Boden halten will. Der Sohn würde also nicht nur im Denken verbleiben, sondern auch den Körper integrieren, aber in einem Zusammen- und Wechselspiel. Das Spiel, der Wettkampf ist die exquisiteste Form der Subjektivität. Die wirkenden Kräfte werden gemessen und einem Gesetz unterworfen. Ein quantitatives Verhältnis, ein reines Verhältnis von Zahlen ist das elaborierteste Konzept der Macht. Deine Macht ist maßlos, zufällig, dunkel und primitiv. Du sprichst zwar von der Macht als Spiel, aber nur im Sinne eines Zufalls, ausserhalb des Denkens, das Subjekt unterwerfend und zum Spielball degradierend.“
Foucault beugte sich über den Schreibtisch zu mir, verengte sein Augen und sagte drohend mit leiser Stimme: „Es gab nur einen, der mir Wahnsinn unterstellte. Derrida. Ich habe ihn meine Abneigung lange spüren lassen. Es stimmt, ich wurde in die Psychatrie eingewiesen. Es stimmt auch, dass ich mir die Brust mit einem Messer aufschlitzte und zwei Selbstmordversuche unternahm. Doch das war in meiner Jugend und hatte nichts zu bedeuten. Ansonsten ertrage ich dein humanistisches Gequatsche nicht. Vater! Sohn!. In welchen Klichees denkst du eigentlich? Weißt du, dass mein Vater, ein Chirurg, mich dazu zwang, einer Beinamputation beizuwohnen? Er wollte mich wohl zum Subjekt ausbilden. Ha! Hat ihn ziemlich angepisst, als er merkte, dass ich schwul bin. Vater! Ich kotze gleich.“
„Es ist schön zu sehen, wie vorurteilsfrei du an die Thematik herangehst“, erwiderte ich ohne Mitgefühl und ergänzte boshaft: „Auch deine Konsequenz ist zu loben, denn du hast ja behauptet, das Subjekt würde verschwinden, wie ein von Wellen umspültes in Sand gemaltes Gesicht. Du hast selbst ein eindrucksvolles Beispiel dieser Auslöschung gegeben“. Interessiert blickte er mich an: „Wie das?“ „Nun“, antwortete ich, „ Die Lust, der du dich in den Darkrooms in Kalifornien hingegeben hast, hat ihren Tribut gefordert: AIDS. Dir wurde das Vorrecht zuteil, als Folge dieser Krankheit einen seltenen Tumor zu bekommen, der dir dein Gehirn nach und nach auflöste. Es muss dir wie eine Gnade Gottes vorgekommen sein, dieses Bild vom sich auflösenden Gesicht im Sand an dir selbst erfahren zu dürfen“. Ich hatte gehofft, Foucault eine Verletzung zuzufügen, doch ich wurde enttäuscht. Im Gegenteil, der schweflige Geruch nahm zu und ein leises maliziöses Lächeln huschte über sein Gesicht. Sah ich hier Vergnügen an meiner geschmacklosen Bemerkung?
Plötzlich wurde mir klar, warum Foucault den damals schon virulenten Feminismus nicht unterstützt hatte. Er war in das Rhizom hinabgestiegen. Er suchte das, was ihn ihm selbst war, dunkel. Etwas, das immer gleich, immer wiederkehrend, grausam und faszinierend im Menschen steckte und ihn bestimmte. Er wollte werden, was er schon immer war und Humanismus oder Idealismus vesperrten ihm den Weg zu dieser Selbstwerdung. Dagegen musste eine Radikalfeministin wie eine spießige Tussi erscheinen, die permanent die Zwänge des Diskurses, gesellschaftlicher Rollen oder Ampelmännchen bejammert. Anstatt in sich zu schauen, in die Macht einzutauchen und sich in Wolllust und Gefahr aufzulösen, will sie sich behaglich im gesellschaftlichen Raum einrichten, überall Blumen aufstellen und Vorhänge anbringen und einen allumfassenden safe space einrichten.
Von Foucault haben sich die Feministen nur die Rosinen herausgepickt: der Diskurs, der sich in den Körper einschreibt. Die wiederkehrenden Handlungen innerhalb des Diskurses, die das Verhalten und die Sichtweisen festlegen. Realität als Imagination wie Foucault sagt und Konstruktion wie Butler sagt. Feministen geben sich mit der Imagination zufrieden, sie wollen sie nur ändern, sie angenehm machen, indem sie den Diskurs manipulieren, der die Wolken der Imagination erzeugt. Die Macht verwenden sie, um den Diskurs für ihre eigenen Träume zuzurichten. Kein Augenblick denken sie daran, den Blick in die Abgründe zwischen den Signifikanten zu werfen. Vom Dunklen, vom Rhizom sollen es kleine verdauliche Häppchen sein, die das Selbst sanft und wohlig erschauern lassen. Der Wahnsinn, der unter dem Diskurs lauert, wird nicht verbannt, sondern in das Alltagsleben der Menschen integriert, indem er gebändigt, portioniert und eingehegt wird. Die Unlogik des Irrsins soll ein wichtiger Bestandteil der Vernunft werden. Alles, was diese Unternehmung stört, wird beklagt, alles was den safe space bedroht mit Verboten belegt: hate speech, rape culture, Patriarchat, gaps verschiedenster Ausprägungen, male dominance, Paternalisierung, lookism, fat shaming, ageism usw. Der letzte Schrei, Intersektionalismus, ist die Bündelung dieser Einzelkonzepte in ein Gesamtkonzept zur Errichtung des allumfassenden safe space.
Ich begann, die Möglichkeit ins Auge zu fassen, dass Antifeministen Foucault als möglichen Mitstreiter ins Boot holen könnten. Sie könnten seine Konzepte integrieren und ihn damit den Genderisten wegnehmen. Wäre Foucault bereit dazu? Würde er sich überreden lassen?
Ich wendete mich Foucault zu und sagte konziliant: „Das ist ziemlich beeindruckend, was du über die Macht des Diskurses sagst und auch das, was zwischen ihm liegt, die wirkliche Realität. Könnte man nicht sagen, dass das Subjekt in diesen Spalten existiert? Da wo nichts ist, kann doch nur ein kreatives Subjekt etwas Neues erschaffen. Was mich stört, ist die Gewichtung des Diskurses, die du vornimmst. Bei uns in Deutschland ist es zur Zeit ziemlich schlimm. Ein Heer von Genderisten läuft herum und ruft immerzu, alles sei konstruiert, womit sie nicht meinen, dass sie die Baumeister der Konstruktionen sind, sondern die Opfer. Wie weiland die Erleuchteten riefen: „Alles ist Eins“ sind es jetzt die Gendas die rufen: „Alles ist Traum“. Sie haben sich deine Wolke der Imgaination, die beim Schlagen des Diskursteppichs entweicht, sehr zu Herzen genommen. Letztens war sogar ein Lichtwesen, das sich lightyear nennt und sich für ein Eichhörnchen hält, bei den Männerrechtlern. Auch es rief: „Alles ist konstruiert“.
In seinem Fall war es der Raum. Seine Argumentation ging so: Er als Eichhörnchen hätte eine ganz spezifische Raumwahrnehmung. Wenn er im Wald, was aus seiner Perspektive nur Äste und Zweige seien, nach Nüsschen suchte, dann wäre sein Raumempfinden bestimmt von der Entfernung Ast zu Ast. Alles was hinter dem nächsten Ast war, erscheint ihm dunkel und undurchdringlich. Wenn er aber auf den nächsten Ast hüpfte, wäre die Dunkelheit an dieser Stelle verschwunden. Der Raum würde sich also magisch von Klarheit in Dunkelheit und Dunkelheit in Klarheit verändern, je nachdem in welche Richtung er schaute und sich bewegte. Die Straße neben dem Wald, sei ein ganz anderer Raum, nämlich ein geradliniger und bestünde aus völliger Klarheit, der sich in Grenzenlosigkeit verlöre. Der Bauer auf dem Feld neben der Straße, würde sein Feld mit den Augen und den Füßen abmessen können. Er ist an seine Scholle gebunden. Sein Raum ist unverrückbar, eine Art Kugel mit definierten Grenzen. Die schwerbehinderte Frau, die aus ihrem Küchenfenster den Bauern beobachtet, hat einen Raum, der sich auf die Küche beschränkt und durch die relativen Lagen der Küchenutensilien bestimmt wird. Ein Werkzeugraum.
Zu diesen Erkenntnissen nimmt lightyear die Relativitätstheorie und stellt fest, dass selbst Einstein von einem relativen Raum spricht. Verbunden mit der Tatsache, dass Einstein durch quantitative Bestimmungen die Relativität behauptet und nicht durch seine subjektive Wahrnehmung, schließt das Eichhörnchen unlogischerweise, dass, da Einstein objektiv vorgegangen sei, die Wahrnehmung der Räume des Eichhörnchens, des Autofahrers, des Bauern und der alten Frau ein objektiver Gegenstand sei und wissenschaftlich erforscht werden müsse. Er meint nicht damit, dass die Straße, das Feld, die Küche oder die Abstände der Bäume vermessen werden sollen. Dies wurde immer schon getan. Er meint, die subjektive Wahrnehmung des Eichhörnchens, die Art wie ihm die Zweige und Äste erschienen und auf ihn wirkten, aufgegliedert nach Geschlecht, Herkunft und Körpergewicht, sei ein würdiger Gegenstand wissenschaftlicher Arbeit.
Ist das nicht gehobener Schwachsinn, Foucault? Das wäre ja nicht weiter schlimm, wenn diese Traumsucht nicht mittlerweile einst respektable politische und wissenschaftliche Institutionen erfasst hätte. Die wollen inzwischen Kant aus den Vorlesungen an Universitäten rauswerfen. Du hast dich doch selbst zeitlebens mit Kant auseinandergesetzt. Das muss dich doch stören. Das Subjekt, das du so niedermachst, haben die Gendas mit dem weißen gesunden heterosexuellen Mann gleichgesetzt und prügeln fröhlich auf ihn ein. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie dich vornehmen. Ach nein, du bist ja schwul. Das Nicht-Denken, das du propagierst, interpretieren die Genderisten als Freifahrtschein. Rationales Denken erscheint ihnen als Unterdrückung. Stell dir das mal vor! Es steht uns eine flächendeckende Verdummung bevor. Was ich meine, ist: kannst du dein Subjekt nicht ein wenig aufwerten?“
Mein unterwürfiger, hilfesuchender Gestus, der Frauen schon soviel Dienste geleistet hatte, schien Foucault milder gestimmt zu haben. War er so leicht zu übertölpeln? Er schaute mich offen, sogar freundlich an und fing plötzlich an zu lachen. Laut und dröhnend. Erstaunlich. Er sagte: „So so, deine sogenannten Genderisten haben aus dem Diskurs einen Häkelteppich gemacht? Amüsant. Ich kann und will dir nicht helfen. Ich glaube an die Selbstwerdung durch Unterwerfung. Füge dich. Vernichte dich. Erkenne die Wahrheit des Genderismus, wenn sie auf die Wunden weisen, die der formatierte Diskurs in deinen Leib geschlagen hat. Versuche das Schlimmste zu verhindern und entziehe dich diesem Zwang – lasse dich nicht regieren. Opponiere! Sei dein Körper, kein denkendes Subjekt. Sei subversiv, einfallsreich und spiele mit dem Diskurs. Verdrehe ihn. Mache in lächerlich. Erkenne dein eigenes Begehren, deine Lust und suche das Begehren der anderen. Genieße. Sorge dich um dich. Mach aus dir, was du wirklich bist: ein Kunstwerk!“. Triumphierend schaute er mich an, wie ein Kerkermeister den angeketteten Sklaven, dem er die Hauptschlagader öffnet. Ich schaute in die Augen des älteren Mannes und gegen meinen Willen ergriff mich Mitgefühl für seinen Mut und seine Einsamkeit. Ein Stich des Bedauerns durchfuhr mein Herz, als ich ihm entgegnete: „Fick dich und fahr zur Hölle“. Dann erwachte ich.
Was ist der Diskurs?
Die Definition aus Wikipedia lautet:
„Grob vereinfacht meint Foucault mit Diskurs das in der Sprache aufscheinende Verständnis von Wirklichkeit einer jeweiligen Epoche. Die Regeln des Diskurses definieren für einen bestimmten Zusammenhang oder ein bestimmtes Wissensgebiet, was sagbar ist, was gesagt werden soll, was nicht gesagt werden darf und von wem es wann in welcher Form gesagt werden darf.“
Es ist also nicht der Sprecher, der die Wirklichkeit erkennt, sie ausspricht und danach handelt, sondern die Sprache erzeugt Wirklichkeit und der Sprecher fügt sich dieser.
Eine übelwollende Definition des Diskurses geht so:
Das Phänomen des Diskurses entsteht, wenn ein Mensch spricht und handelt und dabei stutzt. Es kommt ihm vor, als sei die Sprache oder was er sonst für das Denken und Handeln benutzt, nicht transzendent oder Mittel zum Zweck, sondern würde selbst das Sprechen und Handeln übernehmen. Diese Haltung ist der Wahrsagerei ähnlich, die dem Objekt überragende Kräfte zuweist, also zum Beispiel im Rauch einer glimmenden Zigarette ein überpersönliches Wissen erblickt. Wie der Wahrsager vom Hundertsten ins Tausendste gerät, so gelingt es dem Diskurstheoretiker, sowohl das Strichmännchen, als auch das beeindruckenste Kunstwerk als Ausfluss des Diskurses zu verstehen. Ein Diskurstheoretiker ist stets emanzipatorisch, weil der Diskurs an sich, also nicht der reale in seiner unterdrückenden konkreten Ausformung, immer demokratisch und antidiskriminierend ist. Wenn an sich der Diskurs die schematisch dargestellte Figur, als auch das Gemälde einer Bauernhochzeit aus gleichem diskursivem Material erschafft, kann deren unterschiedliche Bewertung nur der negativen Macht eines verformten Diskurses zur Last gelegt werden. Gegen diese Macht und der Verformung ist zu kämpfen. Der sich kritisch oder skeptisch wähnende Diskurstheoretiker setzt den Diskurs dogmatisch als Macht. Er ist Metaphysiker.
Der Esel als mögliche Veranschaulichung des Diskurses
Als Metapher für den Diskurs kann das Bild eines störrischen Esels, auf dem man reitet, dienen. Führt man nur kleinste Bewegungen aus, z.B. mit dem Mund, um Worte auszusprechen, kann dieses Wesen in Aufruhr geraten. Will man das Wort ergreifen, muss es der Bestie schmeicheln. Daher wabern die Texte von Poststukturalisten immer um die Sache, um den Esel herum. Am Besten sei es, dem störrischen Tier nicht einen Willen aufzuzwingen, sondern den Standpunkt des Esels zu übernehmen.
Die Qualle als mythische Veranschaulichung des Diskurses
Die Sprache erscheint in diesem Bild als ein allumfassendes gallertartiges Etwas. Es kristallisiert einen nach innen gehenden Trieb (Macht) in Knochen (Gesetze). Gleichzeitig entlässt es eine entgegengesetzte Kraft (Begehren), welches die Ausbreitung seines weichen Körpers antreibt. Die Kraft der Ausbreitung sieht sich durch Knochen gehindert und versucht sie aufzulösen (Subversion), wogegen sich die knochenbildende Kraft wehrt (Herrschaft). Ein unappetitliches Bild und man mag es kaum glauben, dass es Menschen gibt, die solch ein Quallenuniversum zur Heimstatt wählen. Aber es sind auch keine Menschen, die in diesem Schleim leben (denn solche könnten denken und Denken gibt es dort nicht), sondern Untote oder Verdauungsorgane, die die abgesonderten Säfte der Sprachqualle konsumieren und ausscheiden. Das Ausscheiden ist hier das Denken. Der ganze Zusammenhang von Knochen, Körperausdehnung, Säften, Konsumtion und Ausscheidung heißt Diskurs.
Ähnlichkeit zum Konzept des falschen Bewusstseins beim Marxismus
Hier liegt die Verbindung zum Marxismus, der die Menschen auch in einem diskursiven Käfig (Ideologie) verortet, welcher durch die kapitalistische Produktionsweise erzeugt sei. Der Unterschied besteht darin, dass der Marxismus den Diskurs als Überbau über die Produktionsverhältnisse betrachtet, aber der Poststrukturalismus auf den Unterbau verzichtet und den Diskurs selbstständig setzt. Daher werfen Marxisten den Poststrukturalisten reine bürgerliche Ideologie vor. Jedes Denken, das die Kritik der Produktionsverhälnisse nicht integriert ist per definitionem bürgerliche Ideologie. Der feministische Marxismus glaubt, die Geschlechterfrage auf die Austauschprozesse im Produktions- und Reproduktionssystem rückführen zu können. Verändere man diese, verschwände der Geschlechterkonflikt.
Von der Langweiligkeit eines marxistischen Feminismus, dem die vaginale Kategorie fehlt
Die Sachlichkeit der Marxisten ist die Ursache ihrer Wirkungslosigkeit innerhalb des Feminismus. Eine selbstbewusste Feministin, die ihre erregte Fruchtbarkeit durch rougierte Wangen und reiner Haut demonstriert, interessiert sich nicht für den sachlichen Grundwiderspruch. Sie lebt im Gynozentrismus und glaubt an die vaginale Kategorie, von der sie hofft, dass sie bald die ganze Gesellschaft durchdringe. Sie hat ihr Auskommen in den Subsystemen des universitären Betriebs oder ähnlichen Institutionen und Stiftungen gefunden. Sie erwartet nicht die Auflösung des Grundwiderspruchs, sondern die vaginazentrierte Ausweitung ihrer Komfortzone.
Der Marxismus hilft dem Kapitalismus, weil er ihn erklärt
Der Kapitalismus ist das flexibelste Produktionssystem, das es gibt. Er reflektiert seine Produktionsverhältnisse ständig. In amerikanischen Think-Tanks wird „Das Kapital“ von Marx studiert. Jede Analyse des Kapitalismus durch den Marxismus wird vom Kapitalismus verdaut, umgedeuted und zum Beispiel den Genderisten zum Fraß vorgeworfen.
So wie ein Antifeminist das dröge Einerlei des Gynozentrismus wiederkäut, ist der Marxismus der Buchhalter des Kapitalismus, dem er die Pläne für dessen Rationalisierung liefert. Im Gegensatz zum Marxismus verabscheut der Antifeminismus seine eigene Tätigkeit und begehrt seine und des Feminismus Auflösung. Der Marxismus liebt seine Tätigkeit und begehrt ihre Ewigkeit.
Marxistische Feministen sollten sich fragen, warum das Kapital den Genderismus päppelt und den WHM verschmäht. Der Grund dafür ist, dass Genderismus und Feminismus dem Wesen des Kapitals, nämlich Gier und Nutzen, viel näher stehen als der WHM, der sich mit seiner Familie querer zum Kapitalismus legt, als die queereste Transe.
Foucault und der Diskurs
Das wissenschaftliche Interesse Foucaults galt dem Diskurs. Seine persönliche Motivation war die Metamorphose zum Übermensch, der den Diskurs hinter sich lässt. Man könnte verkürzend und grob behaupten, sein Motiv war das sexuelle Begehren. Er verweigerte sich jeder Zuordnung, dementsprechend war seine Lehre unsystematisch. Da wo er systematisch wurde, ist er widerlegt worden. Seine Texte bedienen sich aus der Gattung der Gesellschaftsromane psychologischer Ausprägung. Er arbeitet mit literarischen Mitteln wie Symbolik, Metaphern, dramatischen, im Gleichgewicht schwebenden Entgegensetzungen und vollendeten Formulierungen, die ihre Wirkung beim Publikum erzielen und zur Begründung der Weltsicht von Feministen hinreichen. Eine wissenschaftliche Anmutung gibt er sich durch ausgiebiges Zitieren aus überraschenden Quellen.
Eine wesentlich systematischere und damit interessantere Konzeption des Diskurses findet sich bei Lacan. Eine hysterische Auffassung des Diskurses bietet Deleuze und eine in die Bedeutungslosigkeit verlaufende Analyse präsentiert Derrida. Alle drei Denker werde ich in den folgenden Beiträgen behandeln.
c. Geschlecht und Foucaultscher Diskurs
Fortsetzung folgt.