„Aufbruch ins Ungewisse“
– kein Erlebnisreport
Ich habe ihn gesehen. Mehr oder weniger. Von Anfang an war der Film platt, durchschaubar und klischeeüberladen. Man verzeihe mit, wenn ich meine Sprache ein wenig dem Niveau des Filmes anpasse. Eine hochtrabende Sprache würde dieser Zeitverschwendung nicht gerecht.
Es geht los…!
Der Film startet. Man erfährt, dass die Süddeutsche Post verboten wurde. Nach minutenlangem Meditieren ziehe ich eine namentlich Parallele zur Süddeutschen Zeitung. Okay. Die erste Herausforderung des Films habe ich gemeistert.
Schweden fällt als letztes an die Nazis!
Dann erfahre ich, dass im Film Schweden seine Grenzen als letztes Land geschlossen hat. Ein fieser Nazi hält eine Rede dazu im TV. Er verkündet, dass Schweden sich „….endlich auf seine nationalen Wurzeln beruft.“ Da: Der ein weiterer Begriff aus dem rechten Gedankengut: „nationale Wurzeln“. „National“ ist fast so böse wie „völkisch“.
Wir sind doch auf dem Weg, die Nationalstaaten zu begraben, weil die naaaazi sind!
Der Naaazi aber hat böse stimmliche Probleme: Sie ist seltsam überzeichnet. Irgendwie hat sich die Stimme aus einer Zeichentrickserie in den Film verirrt. Da hat der Soundmann wohl die falsche Taste gedrückt.
Hereingestolpert kommt der Vater der Familie. Er hat eine schlecht gestaltete Filmwunde an der Stirn. Im Taumeln stöhnt er: „Ich bin denunziert worden!“ Ein Dialog entsteht. Ich kann ihm nur grob folgen. Man erfährt etwas darüber, dass Europa ein Ort geworden ist, in dem denunziert und verfolgt wird. Schwule. Schwule werden verfolgt. Es gibt keine Meinungsfreiheit mehr. Die Nazis haben wohl das NetzDG abgeschafft und/oder verschärft und/oder ersetzt.
Der Vater will zunächst alleine flüchten und dann die Familie nachholen. Hier hat er sich tatsächlich ein Vorbild an der Realität genommen: In der realen Welt fließen auch ausschließlich die Männer, um dann die Familie nachzuholen oder auch nicht oder so.
Die Frau entscheidet: Auf Reisen geht die ganze Familie!
Er hat die Rechnung ohne seine Frau gemacht. Sie beschließt, dass sich alle auf den Weg nach Südafrika machen sollen. Es geht also los. Man landet in einem Flüchtlingsboot, kentert aber vor Namibia. Namibia ist der letzte Nicht-Halt vor Südafrika. Namibia hat zwei Fehler:
- es ist nicht Südafrika
- Namibia schiebt ab
Die Familie ist also von Abschiebung bedroht. Man bemüht sich nun, sich nicht dort registrieren zu lassen. Wer zunächst in einem anderen Land registriert wurde, kann aus ganz Afrika abgeschoben werden. Verdammt! Die sind ja viel strenger als wir in der Realität! Gut, die Spannung zieht an. …hm… Irgendwie nicht.
Es wird auch nicht spannender, weil der Sohn der vierköpfigen Familie – Vater, Mutter, Tochter, Sohn – in Namibia verloren geht. Ich war den ganzen Film über gelangweilt und genervt, weil alles so platt war.
So ein Quatsch: Der Flüchtling hat einen Pass!
Völlig unrealistisch wird es, wenn die deutschen Refugees ständig mit ihren Pässen vor der Kamera herumwedeln. Ein jeder weiß doch: Refugees haben doch keine Pässe!!!!
Man macht erneut auf Spannung: Schlepper schleppen die flüchtenden Flüchtlinge nach Südafrika. Klischee folgt auf Klischee. Eingefercht ohne Wasser, etc. Man kommt in Südafrika an. Meine Leidensfähigkeit stößt das erste Mal an seine Grenzen: Die schablonenhaft abgearbeiteten Standardvorstellungen der Flucht von „Refugees“ langweilt. Meine Wahrnehmungsfähigkeit schaltet noch weiter ab.
Moslems und Homosexuelle sitzen im selben Boot und eine Abtreibung
In Südafrika erfährt man dann, dass Moslems in Europa verfolgt werden. Bei uns herrscht eine Bombenstimmung mit „Fahrvergnügen“ auf den Weihnachtsmärkten, im Film werden Moslems verfolgt. Zu gesellen sich die Moslems zu den Homosexuellen im Film. Damit man auch weiß, was Moslemverfolgung auch ist, wird ein Moslem im Film als „Ziegenficker“ beschimpft.
Nun erfährt man, dass eine Frau vier mal vergewaltigt wurde und sie seitdem schwanger ist. Daher darf dann auch jede Moral ausgeknipst werden: Es kommt zu einer Szene in der Flüchtlingscampdusche in der die Frau durch Faustschläge auf den Mutterleib für eine Abtreibung sorgt. Weil die Sache dann doch etwas blutig von statten geht, kommt sie in ärztliche Versorgung. Einige Zeit später ist sie wieder da; nicht mehr schwanger. Sie sagt beschwingt: „Jetzt geht es mir wieder gut!“
Zack! Da haben wir es: wenn man von einem Nazi vergewaltigt wurde, darf man auch schon einmal ein Kind durch Faustschläge unter der Dusche abtreiben. Es geht darum, dass man danach wieder beschwingt und glücklich ist.
Die Tochter der geflüchteten Familie treibt sich mittlerweile mit den coolen Jungs rum; denn die „rauchen und saufen und sind nicht so Loser“ wie die Eltern! Die coolen Jungs veranstalten discoartige Veranstaltungen im Camp. Die Szenen wirken so, als würde jeden Moment eine Gruppenvergewaltigung folgen. Die findet aber nicht statt oder ich habe das nicht mitbekommen.
Die Abschiebung droht
Das nächste Klischee wartet auf den vor Spannung zerfressenen Zuschauer: Die Familie droht abgeschoben zu werden, weil die Mutter in Namibia einen Fingerabdruck hinterlassen hat. Man kann also nachweisen, dass sie nicht in Südafrika den Kontinent betreten hat.
Sie werden als Asylbewerber abgelehnt, weil die Frau in Namibia einen Fingerabdruck hinterlassen hat. Dumm gelaufen.
„Kommen wir dann nach Deutschland zurück?“
„Zunächst nach Namibia.„
Man plant in Südafrika unterzutauchen. Allerdings wird ein Kind gefunden, von dem man annimmt, dass es der Sohn der Familie ist. Ist es aber nicht. Nun kommt die Familie in einen Gewissenskonflikt: Sollen sie das Kind als ihr eigenes ausgeben? Es ist krank genug, dass die Familie nicht abgeschoben werden kann.
Das Ende kam überraschend schnell
Den Rest habe ich verschlafen, weil es zu viel wurde. Langweilig, platt, wenig überraschend… Überraschend war allerdings die Schwarze im Flüchtlingscamp in Südafrika, die aufgrund ihrer deutschen Vorfahren (!) akzentfrei deutsch gesprochen hat. (Ich vergesse immer, dass ich doch mal endlich mein Bild vom Deutschen ablegen sollte. Heutzutage wandern halt schwarze Deutsche aus Deutschland nach Südafrika aus.)
Plötzlich ist der Film zuende. Die Botschaft am Ende habe ich verschlafen. Der spannende Film war so plötzlich zuende, dass ich das Ende nicht mitbekommen habe. Es wurde irgendetwas Wichtiges eingeblendet. Etwas mit der UN oder so.