Dieser Artikel erschien zuerst im Blog Pfützenfische von Gunnar Kunz.
Ich verstehe es nicht
Gunnar Kunz
Ich verstehe nicht, warum aufgeklärte, kritische Menschen eine totalitäre Ideologie wie den herrschenden Feminismus immer noch verharmlosen. Ich verstehe nicht, warum angesichts der jüngsten Entwicklungen kein Schrei der Empörung durch dieses Land geht. Warum hat niemand Angst vor der größten Bedrohung der Demokratie seit Bestehen der Bundesrepublik?1
Sehen wir uns doch mal nüchtern an, was in den letzten Wochen in dieser Hinsicht so alles auf uns eingeprasselt ist. Lassen wir Dinge wie die zunehmende Zerstörung unserer Sprache durch Genderisten, vor allem in Behörden und an Universitäten, mal beiseite. Ebenso die unsägliche Gender Pay Gap-Lüge. Oder die Doppelmoral, mit der zwangsweise eine Frauenquote in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen eingeführt wird, dann aber schnell noch das Gesetz so verändert wird, dass auf gar keinen Fall eine Männerquote in Bereichen, in denen diese unterrepräsentiert sind, damit legitimiert werden kann. Konzentrieren wir uns lediglich auf Entwicklungen, die unmittelbar in unser Privatleben eingreifen, unsere körperliche und seelische Selbstbestimmung bedrohen und die Demokratie auszuhebeln versuchen.
Beginnen wir kurz – wirklich nur kurz – in Amerika, weil bekanntlich alles, was dort geschieht, früher oder später zu uns herüberschwappt. Die Journalistin Sabrina Rubin Erdely berichtete im Rolling Stone über eine angebliche Gruppenvergewaltigung an der Universität von Virginia. An der Uni herrsche ein Klima der Vertuschung, Beweis für die Überzeugung vieler Feministinnen, es gäbe eine sogenannte „Rape Culture“.
Mittlerweile stellt sich heraus, dass das Ganze eine Erfindung des angeblichen Opfers war und Frau Erdely – wie oft in solchen Fällen – nicht mal den Ansatz journalistischer Sorgfalt hat walten lassen. Ihre ganze Story basiert einzig auf den Aussagen des angeblichen Opfers, das übrigens eine Zusammenarbeit mit der Polizei verweigerte. Frau Erdely hat sich weder die Mühe gemacht, andere angeblich Beteiligte zu befragen, geschweige denn die Beschuldigten.
Nun hat sie sich im Rolling Stone für ihre Berichterstattung entschuldigt – auf eine Weise, wie sie nur Feministinnen fertigbringen, nämlich indem sie sich selbst als Hauptopfer inszeniert. Wie „schmerzhaft“ für sie die Erfahrungen der letzten Monate waren, lesen wir da. Dass die Untersuchung ihres Artikels „ein brutales und deprimierendes Erlebnis“ gewesen sei. Und sie entschuldige sich bei ihren Lesern, den Kollegen, der Uni und allen Opfern sexueller Übergriffe, die nun wegen ihres Beitrags Angst hätten. Das war’s. Kein Wort über diejenigen, die im Zuge ihrer Verleumdungen einer Hexenjagd ausgesetzt waren. Ganz zu schweigen von den Männern generell, die sie pauschal als Teil einer „Rape Culture“ verunglimpft.
Und dass niemand auf die Idee kommt, dies sei ein typisch amerikanisches Phänomen. Taz-Chefin Ines Pohl4 findet ebenfalls, dass Erdely das eigentliche Opfer sei.
Das Pikanteste zum Schluss: Ohne in Verschwörungstheorien verfallen zu wollen, aber es scheint Hinweise zu geben, dass die ganze Affäre mit dem Weißen Haus abgestimmt ist, wo Präsident Obama ja seit geraumer Zeit versucht, feministische Positionen durchzudrücken. Wenn man nun die enge Verquickung von feministischen Seilschaften hierzulande mit Politik und Medien bedenkt, dann weiß man, dass so etwas jederzeit auch uns blühen kann.
Vor diesem Hintergrund bekommt der Vorstoß von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), den § 177 Strafgesetzbuch zu „reformieren“, um eine „Schutzlücke“ zu schließen, einen besonders üblen Beigeschmack. Das Vorhaben geht auf Katja Grieger zurück, Geschäftsführerin des Bundesverbands Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe, und hat unter anderem zum Ziel, Geschlechtsverkehr auch dann als Vergewaltigung anzusehen, wenn keine Gewalt angewendet, nicht gedroht oder eine schutzlose Lage ausgenutzt wird. Denn jetzt sollen auch Frauen „geschützt“ werden, die „aus Angst vor dem Täter“ einen Geschlechtsverkehr zulassen, „in Schockstarre“ oder „weil sie dachten, schutzlos zu sein“.
Mit anderen Worten: Was künftig zählt, ist einzig die subjektive Sicht der Frau. Sollte sie nach einem gemeinschaftlichen Beischlaf behaupten, sie habe „nur aus Angst vor dem Mann“ mitgemacht, auch wenn der weder gedroht noch Gewalt angewendet hat – Pech für den Betreffenden. Definitionsmacht, nennt man so was. Es gibt keine objektiven Tatbestände mehr, nach denen geurteilt wird, keine Frage nach der Absicht des „Täters“, und die Unschuldsvermutung, ohnehin in solchen Fällen schon bis zur Bedeutungslosigkeit ausgehöhlt, wird praktisch aufgegeben. Warum im Übrigen die Konstruktion einer „Schutzlücke“ Unsinn ist, erklärt Bundesrichter Thomas Fischer in der Zeit.
Wer sich ein bisschen mit Falschbeschuldigungen auskennt, weiß, was da für eine Lawine auf uns zurollt. Bezeichnenderweise hat es ja nie eine systematische Untersuchung über die Häufigkeit von Falschbeschuldigungen gegeben, weil gerade Feministinnen dies immer zu verhindern wussten. Aber es gibt genügend Anhaltspunkte, die auch dem größten Ignoranten klarmachen müssten, dass sich Falschbeschuldigungen auf jeden Fall im zweistelligen Prozentbereich der Anzeigen bewegen.
Zur gleichen Zeit (zugegeben, das ist schon länger im Gange) versuchen interessierte Kreise aus dem Genderumfeld, an deutschen Schulen eine „Sexualpädagogik der Vielfalt“ zu installieren, in der die Jugendlichen beispielsweise ihre „Lieblingssexualpraktik“ mitteilen oder einen Puff planen sollen und in der ihre Schamgrenze systematisch missachtet wird. Wohlgemerkt: Wir reden hier nicht davon, Heranwachsenden einen offenen Umgang mit Sexualität nahezubringen oder Toleranz zu fördern. Wir reden von einer systematischen Sexualisierung von Kindern. Ist es ein Zufall, dass ausgerechnet die Partei vorn mit dabei ist, die noch immer nicht ihre pädosexuellen Verstrickungen überwunden hat?
Siehe beispielsweise Volker Beck (Grüne), der zum 3. Jahrestag des Kölner Landgerichtsurteils zur Knabenbeschneidung in der „Jüdischen Allgemeinen“ herumsalbadert, wer Beschneidungen bei Jungen verbieten wolle, greife jüdisches Leben in seinem Kern an. Und männliche und weibliche Beschneidung lasse sich nicht vergleichen.2 Das wird die vielen Jungen überall auf der Welt, die infolge dieser barbarischen Praktiken jedes Jahr sterben, freuen zu hören. Die faktenresistente Einstellung von Herrn Beck sollte hingegen niemanden verwundern. Wer an Pädosexualität nichts auszusetzen hat („Entkriminalisierung der Pädosexualität“), findet auch an der Vorstellung, kleine Jungen zu quälen, nichts Schlimmes.
Des Weiteren hat das Bundesverfassungsgericht am 24. Februar ein Urteil zu den sogenannten Kuckuckskindern gefällt, nämlich dass die Verpflichtung einer Mutter gegenüber dem Scheinvater zur Offenlegung der Identität des biologischen Vaters verfassungswidrig sei. Klar, es muss schließlich gewährleistet bleiben, dass eine Frau auch weiterhin ungestraft einen Mann nach Lust und Laune ausbeuten kann.
Sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass die feministische Lobbyistin Susanne Baer, ehemals Direktorin des GenderKompetenzZentrums an der HU Berlin, dessen Aufgabe es ist, das Programm des Gender Mainstreaming in die Praxis umzusetzen, inzwischen Verfassungsrichterin ist und das Urteil mit unterzeichnet hat?
Ach ja, und dann gibt es noch dies: Hessen will Frauenquoten bei Kommunalwahlen einführen, also vorschreiben, wer auf Wahllisten steht und wen man wählen darf. Das hat es bereits in anderen Bundesländern gegeben und wird sicher noch in weiteren versucht werden. Ich kann an dieser Stelle nur wiederholen, was ich schon 2004 geschrieben habe3:
Warum gibt es keine Quotenregelung für Kinder, Arbeitslose, Analphabeten, Muslime und Drogenabhängige? Und wo wir schon dabei sind: Ich fordere eine repräsentative Vertretung schwuler Katholiken mit einer Schwäche für Dieter Bohlen.
Also, noch mal zusammengefasst:
Was haben wir, wenn wir uns lediglich die letzten Wochen angucken? Den Versuch, Rechtsstaatlichkeit im Vergewaltigungsvorwurf abzuschaffen. Den Versuch, Kinder zu sexualisieren. Das Festhalten an der barbarischen Beschneidung von Jungen. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass Frauen Männer auch weiterhin als Zahlesel für Kuckuckskinder missbrauchen dürfen. Unter anderem von einer feministischen Verfassungsrichterin unterschrieben. Den Versuch, Wahlen zu manipulieren.
Fragt sich ernstlich noch jemand, warum ich den herrschenden Staatsfeminismus mit seinen Seilschaften in Politik und Medien für die größte Gefahr unserer Demokratie halte?
1 In meinem Buch „Verwundbar sind wir und ungestüm“ habe ich einige der in den letzten Jahren unternommenen Versuche von Feministinnen, unsere Demokratie auszuhöhlen, aufgezählt und auch an Beispielen gezeigt, warum der real existierende Feminismus einer Psychosekte vergleichbar ist.
2 Siehe hierzu meine Geschichte „Unberührbar“, die auch in „Verwundbar sind wir und ungestüm“ enthalten ist. Derzeit führe ich Interviews mit Betroffenen, die künftig die Geschichte ergänzen sollen.
3 In meinen „Erzählungen aus dem Zwischenraum“, die ansonsten mit der Geschlechterdebatte nichts zu tun haben.
4 Ines Pohl ist mittlerweile nicht mehr taz-Chefin. Sie wechselt zur Deutschen Welle.
Besprechungen des Buches „Verwundbar sind wir und ungestüm„
Buchkritik: Gunnar Kunz – Verwundbar sind wir und ungestüm
Rezension: Gunnar Kunz – Verwundbar sind wir und ungestüm