Spiegel Online
Psychologische Kriegs-Mobilmachung – „Diese idiotischen jungen Frauen”
Junge Britinnen überreichten ab 1914 fremden Männern weiße Federn und brandmarkten sie so öffentlich als vermeintliche Kriegsverweigerer und Feiglinge. Etliche der Gedemütigten trieb die Schmach zur Front – direkt in den Tod.
Gerade auch Suffragetten haben sich hier hervorgetan. Der Begriff der Gleichstellung war zwar noch nicht für die feministische Frau entdeckt, sehr wohl aber der der Gleichberechtigung. Männer waren allerdings zu dieser Zeit nicht berechtigt nicht in den Krieg zu ziehen. Es bekamen sogar Männer die weiße Feder überreicht, die aus gesundheitlichen Gründen nicht in den Krieg gezogen waren. Diese setzten nun alles daran „gesund geschrieben“ zu werden, um in den Krieg zu ziehen.
Dass Kriege mit einer tödlichen Bedrohung und der Gefahr von post-traumatischen Belastungsstörungen einher gehen, muss nicht erläutert werden. Die Suffragette Emmeline Pankhurst hat sich bezüglich der weißen Feder negativ hervorgetan. Sie ist mittlerweile aber eine feministische Ikone.
Feminismus: Emmeline Pankhurst – Vom Terror zur Ikone
Im Spiegel-Artikel heißt es weiter:
(…) Während des Ersten Weltkriegs wurde die weiße Feder in Großbritannien hundertfach überreicht. Stets von Frauen, stets an Männer im wehrfähigen Alter wie James Cutmore, als Symbol der Feigheit. Die Feder war Ausdruck einer Strategie, mit der auch die weibliche Bevölkerung in die Kriegsbemühungen eingespannt werden sollte. (…)
Und so verstanden bald auch viele Frauen das Überreichen der weißen Feder als ihre patriotische Pflicht in den Notzeiten des Krieges. Das führte bisweilen zu bizarren, beschämenden Episoden. In einer Anzeige in der „Times“ vom 8. Juli 1915 etwa gibt eine junge Frau ihrem Freund zu verstehen, dass sie ihn möglichst bald in Uniform sehen will: „Jack F.G., wenn du nicht bis zum 20. Khaki trägst, werde ich dich niedermetzeln.“
Auch Soldaten im Fronturlaub, Heimkehrern und Teenagern wurden weiße Federn überreicht, so etwa dem 16-jährigen James Lovegrove. Später berichtete er in seinen Erinnerungen, wie die Frauen ihn umringten, wüst beschimpften und beleidigten, bevor sie ihm eine Feder an den Mantel steckten. „Oh, ich fühlte mich furchtbar, so beschämt!“
Als er kurz danach auch noch den britischen Superstar Vesta Tilley patriotische Lieder vorführen sah, ging Lovegrove direkt zu einer Rekrutierungsstelle. Der kleine, schmächtige Junge überzeugte den Offizier, drastisch bei der Größe zu mogeln, so dass er tatsächlich eingezogen werden durfte. (…)
Die Frau hat es schon immer verstanden, den Mann für sich kämpfen zu lassen. Anschließend bekommt er dies als „aggressives, testosterongesteuertes Verhalten“ vorgeworfen. Für wen kämpft der Mann wohl an der Front?