Adams Apfel und Evas Erbe
Einsichten eines Biologen zum Genderismus
von Hubert Rehm
Eine Rezension des Buches „Adams Apfel und Evas Erbe“ des Evolutionsbiologen Axel Meyer.
Der Konstanzer Evolutionsbiologe Axel Meyer hat ein Buch über Sex, Liebe, Gene und Dummheit geschrieben. Auf den ersten 130 Seiten erklärt er die Grundlagen der Evolution und der Genetik; es geht um Mutanten und Wildtypen, um Genvarianten, Blutgruppen, Unabhängigkeitsregel, Zwillingsstudien, Erblichkeitsberechnungen, Mitose, Meiose, Mendels Erbsen und die Kosten von Sex.
Meyer erklärt dies flüssig, sagt einem Biologen aber nichts Neues – mit einer Ausnahme: Der Sinn des Lebens bestehe darin, möglichst viele Kinder in die Welt zu setzen. Angesichts ihrer schlichten Fortpflanzungsraten scheint diese Wahrheit selbst unter Biologen unbekannt zu sein. Der Akademiker sucht den Sinn des Lebens in einer Karriere, in buddhistischen Klöstern und auf den Stränden von Hawai – dabei hängt er zwischen seinen Beinen!
Im übrigen ist das Buch nicht für den Fachmann, sondern für den gebildeten Leser geschrieben, wobei Letzterer an dem einen oder anderen Meyer-Satz zu kauen haben dürfte: Ein pädagogisches Genie ist Meyer nicht, auch wenn er im Jahre 2008 mit dem EMBO-Preis Communication in the life sciences geehrt wurde.
Biologische Fakten
Nach der Einführung in die Grundlagen geht Meyer auf die Genetik der Geschlechtschromosomen ein, auf genitale Dysmorphie (Fehlbildungen des Sexualapparats), den Aufbau von X und Y-Chromosomen, SRY-Gen, Inaktivierung, Imprinting und genetische Mosaike. Er fragt, ob Homosexualität und Intelligenz vererbbar seien, bejaht beides, und wartet zudem mit erstaunlichen Tatsachen auf: Hätten Sie gewusst, daß der genetische Unterschied zwischen Mann und Frau so groß ist wie der zwischen Mensch und Schimpanse (wegen des Y-Chromosoms!). Oder, daß die Hodengröße mit den sexuellen Gewohnheiten einer Art zusammenhängt?
Die promiskuitiv lebenden Schimpansen haben größere Hoden als die monogamen Gorillas. Der Mensch liegt in punkto Hodengröße und Promiskuität dazwischen, denn manche menschliche Kulturen leben polygam, andere monogam, und inzwischen, das ist Meyer entgangen, gibt es auch Kulturen, in denen nullogam (Houellebecq) lebende Männer auftreten – die gar keine Hoden mehr brauchen. Zu Letzteren gehört unsere Kultur.
Woran mag das liegen?
Nun, bei uns übersteigt der Aufwand des Frauensuchens und –haltens bei weitem den biologischen Ertrag (= ein oder zwei verwöhnte Kinder). Zudem kommen die fortpflanzungsfähigen Männer kaum noch oder zu spät zu einem Einkommen, das ihnen erlauben würde, ihre eigenen und die Ansprüche der Frauen zu befriedigen. Statt sich also mit einer Heirat finanziell und seelisch zu ruinieren, klinkt man sich aus, schaut Pornos und schlägt die Zeit mit Spielen tot. Das ist nur männschlich.
Manchmal, selten, schreibt Meyer Quatsch: Mitochondrien haben sich nicht mit unseren Bakterienvorfahren vermischt, wie Meyer auf Seite 105 der 1. Auflage versichert, vielmehr sind sie aus inkorporierten Bakterien entstanden. Meyer hat diesen Lapsus denn auch in der zweiten Auflage berichtigt. Des weiteren schreibt er auf Seite 132, daß das Y-Chromosom im Jahre 1905 von Nettie Stevens entdeckt wurde. Hier unterschlägt er zum einen Edmund Wilson, der ebenfalls 1905 von der Existenz dieses Chromosoms schrieb, und zum anderen steht auf Seite 152, daß das Y-Chromosom erst 1959 entdeckt worden sei.
Meyer vertraut auch zu sehr der Psychologie, einer Wissenschaft, deren Ergebnisse schwanken wie die Zweige der Trauerweide im Herbstwind. So sollen Frauen über ein umfangreicheres Vokabular verfügen als Männer und dies schon im Kindesalter. Vielleicht ist das so. Aber warum fallen mir, wenn ich an herausragende Schriftsteller denke, nur Männer ein: Rudolf Ditzen, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Thomas und Heinrich Mann, Bertolt Brecht, John Steinbeck, Ernest Hemingway … Frauen? Es gibt Rosamunde Pilcher. Die aber kann, das will ich zugeben, einem Karl May das Wasser reichen…
Ist die Evolution gerecht?
Meyer hat zwei Hauptanliegen: die allgemeine Gültigkeit der naturwissenschaftlichen Methode und die Ungerechtigkeit des Lebens. Oder ist es etwa gerecht, daß der eine früh an Krebs stirbt, und der andere noch im Alter von 96 Jahren die Zeitung ohne Brille liest? Ist es gerecht, daß der eine dumm geboren wird und es auch bleibt, dem anderen aber die Differentialrechnung im Schlafe zufliegt?
Das habe großteils genetische Ursachen, schreibt Meyer. Intelligenz (also das, was Intelligenztests messen) werde ähnlich stark vererbt wie die Körpergröße. Sarrazin habe recht. Vererbung jedoch basiere nicht auf Gerechtigkeit, sondern auf Zufällen: Jenen, die die Eltern zusammen führten, jenen, die ein bestimmtes Spermium ein bestimmtes Ei befruchten lassen und jenen, die die Genverteilung in der Meiose steuern. Der Zufall sei ungerecht und Gerechtigkeit keine Kategorie der Evolution. Man müsse sich damit abfinden und auch damit, daß Männer und Frauen zwar gleichwertig, aber verschieden seien.
Das eine Ei bekommt vom Vater ein Y-Chromosom und der Embryo wird deswegen schon im Mutterleib auf Mann programmiert und bleibt es sein Leben lang. Das andere Ei erhält ein X-Chromosom und eine Feminisierung läuft ab, die ebenfalls zu bleibenden Ergebnissen führt. Versuche, dies nachträglich zu ändern, beispielsweise einen Mann in eine Frau umzupolen, führten ins Elend. Bei genitaler Dysmorphie und Homo- und Transsexualität greifen zwar andere Mechanismen, dies betreffe aber weniger als 5{18423f3510016d69a38748c31b9d3c63e55e56caeb597c341a8ea176480d5299} der Bevölkerung.
Genderfeministinnen und das „soziale Geschlecht“
Genderfeministinnen verweigern sich diesen Einsichten. Sie glauben, das Geschlecht sei ein soziales Konstrukt und habe nichts mit den Genen zu tun. Man werde zur Frau gemacht, man sei keine. Nach Meyer (und auch nach Ansicht des Rezensenten) handelt es sich beim Genderismus um einen Irrglauben ohne jede experimentelle Bestätigung, um ein wahnhaftes Denksystem. Dennoch gelang es den Genderfeministinnen Universitäten, Medien, Parteien und Ministerien zu unterwandern. In Meyers Worten: „Naturwissenschaftler können sich nur darüber wundern, was in den letzten Jahrzehnten in einigen Bereichen der Geisteswissenschaften passiert ist. Es ist offensichtlicher Humbug, der da verzapft wurde und wird.“
Wie ist das möglich?
Nun: Mit ausgeklüngelten Methoden, die von den linken Studentengruppen der sechziger Jahre übernommen wurden: Immer zu mehreren auf einen, nicht sachlich, sondern moralisch und mit Anekdoten argumentieren, Gefühle und Abneigungen ansprechen, Abweichler diffamieren, den Gegner durch Endlosdiskussionen ermüden (wer wach bleibt, hat recht), nützliche Idioten vorschicken, hintenrum agieren und Phrasen trommeln, Phrasen trommeln, Phrasen trommeln … Höchstes Streben der mit allen Wassern gewaschenen Närrinnen ist ein vom Steuerzahler finanzierter Posten und wenn sie dieses Ziel erreicht haben, streben sie danach, ihren Freundinnen einen ebensolchen zu verschaffen. Es sind in der Regel Posten, die keiner braucht, die aber Einfluß und Einkommen verschaffen.
Diese Verbindung ihrer Gedankenwirrgänge mit der ökonomischen Existenz erzeugt jenen vernagelten Fanatismus, der sich gelegentlich in gallopierender Dummheit austobt. So wurde neulich beantragt, an das Straßenschild der Freiburger Carl von Linne Straße folgende volksbelehrende Ergänzung anzuhängen: „Carl von Linne’ (1707-1778) Schwedischer Naturforscher und Begründer der biologischen Systematik, Vordenker einer biologistisch begründeten Geschlechterhierarchie und Rassenlehre“. Dies, so die modernen Hexenmeisterjägerinnen, weil Linne „durch die nicht zwingende Klassifikation von Tieren (Säugen als weiblicher Grundfunktion und Wesensbestimmung) eine Denkweise [förderte], die die Unterordnung von Frauen unter Männer sowie die traditionelle geschlechtliche Arbeitsteilung als natürlich erklärt und beweist.“ Auch habe er mit seiner Klassifizierung anhand der Morphologie in männliche und weibliche Pflanzen die Sexualisierung des Pflanzenreichs begründet und verfestigt. Fürwahr: Eine Ausgeburt von in doppelt destillierter Wirklichkeitsfeindlichkeit gekochten Hirnen, der Nadelstich von Zwerginnen in den Hintern eines Riesen.
Vom Genderismus also handelt der letzte Teil von Meyers Buch und es ist sein stärkster, obwohl Meyer beim Schreiben unter einer Angsthemmung gelitten zu haben scheint. Oft versucht er sich anzubiedern – „ich bin doch auch ein Feminist, ich unterstütze die Gleichberechtigung, ich bin doch gar nicht so schlimm …“ – doch damit dürfte er keine Hündin hinter dem Ofen hervor locken. Auch Meyers gefühltes Dutzend „und das ist auch gut so“ sind fehl am Platze, damit wirft er oft moralische Wertung und Sachargument durcheinander.
Meyer und das Patriarchat
Zudem: Was Meyer für gut hält, muß nicht gut sein. Da schreibt er beispielsweise auf Seite 363: „Wir alle sollten dankbar sein, daß sich das Patriarchat in unseren Breitengraden seinem wohlverdienten Ende zuneigt.“ Und gleich auf der nächsten Seite steht: „Deutschland ist ein Land der Zukunftsangst, der Innovationsfeindlichkeit und der Mutlosigkeit geworden.“ – und der niedrigen Geburtenraten, fügt der Rezensent dazu. Hängt das eine etwa mit dem anderen zusammen?
Der Gedanke liegt nahe, aber Meyer greift ihn nicht auf. Zudem ist die erste Behauptung falsch: Das Patriarchat scheint in unseren Breitengraden vielmehr fröhliche Urständ zu feiern, wenn auch nur in bestimmten evolutionär erfolgreichen Bevölkerungsgruppen. Nun ja, Herumeiern ist zum Sport unter deutschen Schreibern geworden – eigentlich seltsam, denn die meisten haben keine. Das gilt – naturgemäß – auch für Feministinnen, man lese nur ihre Verlautbarungen zu den Kölner Silvester-Übergriffen.
Ich merke gerade, ich tue Meyer Unrecht. Wenn er Angst hatte, so hat er sie mit Erfolg bekämpft. Für einen Professor hat Meyer Mumm! So hat er im April 2015 in der FAZ einen Artikel über die Ehrlichkeit der Studenten veröffentlicht und ist damit gewaltig angeeckt: Der Rektor hat ihm die Freundschaft aufgekündigt.
Umso erstaunlicher ist das Schweigen der Konstanzer Universität zu „Adams Apfel und Evas Erbe“. Lediglich die Frauen-, pardon, Gleichstellungsbeauftragte, fühlte sich bemüßigt, einzuschreiten. Als Meyer an der Konstanzer Volkshochschule einen Vortrag halten sollte, teilte sie dieser per Email mit: „eine Veranstaltung wie die Ihrige, muß sehr gut moderiert werden, um zu vermeiden, so „chauvinistischen“ (Selbstdefinition) Äußerungen einen öffentlichen Raum zur Entfaltung zu geben.“. Zu einem direkten Gespräch mit Meyer war sie nur bereit, wenn sie dazu andere Frauen des Gleichstellungsreferats mitbringen dürfe.
Nun, angesichts der demographischen Entwicklung wird sich der Genderwahn in zwanzig Jahren von selber erledigen – und dies nicht im Sinne der Feministinnen. Sie werden unter Burkas und in Harems verschwinden oder im Altersheim einsam vor sich hindämmern. Diese dürren Zweiglein am Baum der Evolution werden spurlos verrotten und das ist – um mit Meyer zu sprechen – auch gut so.