Feminismus - Hexe - Feministin - Faktum Magazin

Professor Hornscheidt und die Intersektionalität

Andreas Lange

Feministische Texte haben den Ruf, geringe Anforderungen an Originalität und Zusammenhang zu stellen. Trotzdem sind sie lesenswert,  wenn sie einen Einblick in die Motivlage der Akteure vermitteln. Der Leser wird mit Erstaunen feststellen, dass ein Professor öffentlich universitäre Ressourcen als Beute verhandelt.

Diesen Beitrag von Frau Hornscheidt habe ich frei aus dem Genderischen ins Deutsche übersetzt. In der Hornscheidtschen Diktion bedeutet „Genderismus“ die diskriminierende Zuordnung eines sozialen Geschlechts zu einem Menschen und unterscheidet sich deutlich von der männerrechtlichen Verwendung dieses Begriffs.

Der Text von Frau Hornscheidt ist von überwältigender Redundanz, daher mein Hinweis an den Leser: nur wenn Sie ein wissenschaftliches oder liebhaberisches Interesse an bizarr verschränktem, sich ewig wiederholendem Argumentieren haben, sollten sie diese Stilblüte nicht an sich vorbeiziehen lassen. Für alle anderen gilt: Finger weg! Schäden sind nicht auszuschließen. Dieser Hinweis gilt nur für die von mir vorgelegte Übersetzung. Für den Originaltext muss, statt eines Hinweises, eine Warnung für Ungeübte ausgesprochen werden: für jeden Teil gelesenen Textes stirbt ein entsprechender Teil des lesenden Gehirns, so dass am Ende des Textes auch das Leben des Hirns beendet ist.

Um den Hirntod beim Lesen meiner Übersetzung zu vermeiden, habe ich die Form des ursprünglichen Textes verändert. Einerseits habe ich damit ein Verstehen ermöglicht, andererseits ist dieser verständliche Sinn unter der Hand ein anderer geworden, als von der Autorin intendiert.

Das liegt daran, dass ich einen Sinn dort herauslese, wo Frau Hornscheidt lediglich eine Handlung oder Manipulation beabsichtigt, um den Gegenstand ihrer Kritik, nämlich den institutionalisierten heteronormativen Feminismus zu dekonstruieren. Ihre Metaphysik besteht in dem Glauben, dass alles, was kriecht und fliegt, durch Sprechen erschafft wird. Wenn Wirklichkeit nur durch Sprechen erzeugt wird, ist die Annahme, etwas habe einen Sinn, nach ihrem Verständnis falsch.

Der Sinn ist in ihrer Lesart ein Abfallprodukt der sprachlichen Handlung, ein Index oder Marker und hat für sich keinen Bestand oder Wirklichkeit. Es ist also unvermeidlich, dass meine Übersetzung, die einen Sinn zugrunde legt, falsch ist.

 

Zwei Bemerkungen zur Form des Lannschen Textes, die ihn fast unlesbar macht.

a.

Sätze wie:

inwiefern ist in gender studies als grundlage bereits eine entdependierende entkomplexisierung von strukturellen machtverhältnissen und diskriminierung eingeschrieben?

übersetze ich so:

Inwiefern übersehen gender studies Wechselbezüge zwischen Macht und Diskriminierung?

Der passive Stil von Lann Hornscheidt tritt deutlich zu Tage: nicht Personen übersehen etwas, sondern etwas wirkt in den gender studies, das die  Wechselbezüge verdeckt und die Akteure in den gender studies zu ahnungslosen Schafen macht. Was dieses sei, ist bei einem Feministen so vorhersagbar, wie ermüdend: die Sprache.

b.

Ich habe den Begriff Statisierung, den Lann Hornscheidt selbst geprägt hat, nicht direkt verwendet, sondern durch die von ihr gelieferten Definition ersetzt, welche lautet:

statisierung ist ein konzept einer weißen pseudosäkularisierten, häufig androgegenderten, ableisierten und damit umfassend privilegierten positionierung in westeuropäischen gesellschaften.

Die darin enthaltenen Begriffe pseudosäkularisiert, androgegendert und ableisiert werde ich nicht verwenden, sondern ihre deutschen Entsprechungen. Es ist einem kursorischem Lesen nicht zuzumuten, dass es, bevor es zur Tat schreitet, einen Lehrgang für Begriffsdefinitionen absolviert, wenn der beabsichtigte Sinn auch durch Umgangssprache vermittelt werden kann. Die gleichen Überlegungen gelten für die Nichtverwendung des Begriffs Klassismus, der die Abwertung aufgrund sozialer Herkunft meint.

 

Abstract (von mir erstellt):

Das Phänomen der Diskriminierung wird in den gender studies nicht adäquat erfasst. Der Begriff der Intersektionalität trennt das Diskriminierungsphänomen künstlich in Bereiche auf, so dass die konkret stattfindende Diskriminierung, welche ganzheitlich auftritt, aus dem Blick gerät. Intersektionalität war die Antwort auf die Kritik, dass gender studies sich hauptsächlich für die soziale Konstruktion von Mann und Frau interessieren. Nachfolgend wird die These vertreten, dass Intersektionalität den Fokus nicht erweitert, sondern noch mehr auf die Zweigenderung verengt hat. Die Autorin schlägt die Abschaffung des derzeitigen Konzepts von Intersektionalität, sowie die Umbenennung und personelle Neubesetzung der gender studies vor. Mit der personellen Neubesetzung durch prototypisch Diskriminierte, wie zum Beispiel transsexuelle feministische als Frau erscheinende schwarze Personen, würde die Sicht auf das Diskriminierungsphänomen erweitert und Diskriminierung erstmals umfassend und wirkungsvoll bekämpft werden, weil nicht mehr die soziale Kategorie (Mann, Frau), sondern Struktur (die Sprache) als  Urheber von Diskriminierung identifiziert  und verändert werden kann.

 

 

Lann Hornscheidt

 

Intersektionalität:  Vereinfachen des Unterscheidens

(im Original: „entkomplexisierung von diskriminierungsstrukturen durch intersektionalität“)

 

1. Einleitung

Der Begriff „Intersektionalität“ ist ein Symptom für die zunehmende Undurchschaubarkeit des Wissens, das in den gender studies angesammelt wurde. Durch die Einführung dieses Begriffs versuchen weiße, männliche, gesunde und vorgeblich nichtgläubige Forscher, ihre Privilegien zu sichern, indem sie unterscheidendes Denken ausgrenzen. Zuerst beschreibe ich die Sprache als Handlung, die Wirklichkeit schafft. Diese Auffassung der Sprache ermöglicht das Nachdenken über den Einsatz der Sprache als Machtinstrument, das der Abwertung des Anderen hinsichtlich Geschlecht, Rasse, soziale Herkunft und Gesundheitszustand dienen kann.

2. Wahrheit ist das, was die Sprache macht

Sprache ist eine von vielen Handlungen, in denen sich Denken ausdrückt und geformt wird. Zu diesem Zweck legt sie die Bedeutung der Begriffe fest. Die Begriffe werden durch stete Verwendung gegenständlich. Abstrakte Begriffe werden mit der Zeit so gehandhabt, als wären sie konkrete und feststehende Gegenstände, an denen nicht mehr gezweifelt wird.

Die Form, in der ein Begriff auftritt,  kann die Gegenständlichkeit verstärken. Wird er als Substantiv formuliert, dann wird er essentiell, zum Fels in der Brandung, zur Substanz. Wird er in Adjektiven und Verben ausgedrückt, erscheint er frei flottierend und substanzlos. Wenn man also Gender Studies sagt, dann wird gender als Substantiv verwendet und ist damit essentialistisch.

Wenn man die Gemachtheit, Beweglichkeit und verändernde Wirkung eines Begriffes herausstellen möchte, sind Verben, Adjektive und konsequente Kleinschreibung geeigneter. Besser wäre also: anti-sexismus studien oder feministische studien. Im ersten Fall wird statt gender zwar auch ein Substantiv verwendet. Es wird aber erstens als deutsches Substantiv kleingeschrieben, was seine Substanz vermindert und zweitens ist ein Motiv und eine Handlung angesprochen. anti-sexismus hat seine Wurzel in einem Vorgang, gender dagegen in einem Zustand. Im zweiten Fall (feministische studien) wird ein Adjektiv verwendet, das ein Bündel von Handlungen, Meinungen und eine emanzipative Ideologie assoziiert und damit den Übergangs-, Veränderungs- und Tätigkeitscharakter hervorhebt.

Anstatt von Frauen und Männer als  Substanzen zu reden, sollte man trans_x_en (gesprochen: transiksen oder transchen). Im Folgenden wird zur besseren Lesbarkeit transchen verwendet. Wenn ich transche, dann weise ich kritisch auf den  Genderismus (im Hornscheidtschen Sinn, s.o.) hin, nämlich auf die Tätigkeit, Menschen durch die Zuordnung von Geschlecht zu diskriminieren. Angesichts des Begriffs „Frau“ zu transchen, bedeutet:  ausdrückliches und gleichzeitig kritisierendes Hervorheben, dass „Frau“  eine Position ist, die vom WHM hergestellt und diskriminiert wird und mit anderen ebenso hergestellten und diskriminierten Positionen zusammenfällt.

Das kritische Hervorheben geschieht dadurch, dass der diskriminierende Begriff  negativ ausgesprochen wird. Die Diskriminierung wird also nicht nur angeprangert, sondern negativ wiederholt. Jemandem ein Attribut zuweisen, entspricht, ihm einen Ort zuweisen. In genderisch wird diese Zuweisung aufgegriffen und beim Aussprechen ins Gegenteil verkehrt: ver_ortung (im Sinne von verstellen, verbauen, vergehen, vergewaltigen, verquer etc.). Im Wort trans_x_en wird einerseits die Transition, der Übergang, zwischen den  Begriffen Mann und Frau ausgesprochen und andererseits durch das „x“ während des Aussprechens die Substantive Mann und Frau imaginär durchgestrichen. (Was durchgestrichen wird, kann kaum ineinander übergehen oder was ineinander übergeht, muss nicht durchgestrichen werden. Es geht hier um die Sichtbarmachung der Negativität des Begriffs an sich selbst. Anm. d. Ü.).  Die Verwendung der Verbform unterstützt die Idee, dass sich Mann und Frau durch Handlungen herstellen und vorher nicht da sind. Es gibt keinen Mann und keine Frau.

Ich als weiße Professorin ver_orte mich transchend und bin deshalb nicht nur meiner diskriminierten Gemachtheit, sondern auch meiner eigenen diskriminierenden Handlungen bewusst. Aber weil ich sie transche, heile ich sie. Mit dem Bewusstsein meiner Gemachtheit, als auch meines Rassismus produziere ich wortungen und konzeptualisierungen. Ich produziere keine Wörter oder Konzepte. Das wären Substanzen (s.o.). Ich produziere Wörter, die ein Eigenleben, eine Bewegung und verändernde Kraft entfalten, kurz: wortungen.

3. Wirksamkeit des Begriffs Intersektionalität, welcher die Grundlage der gender studies sein soll

Intersektionalität beansprucht, die Gegenstände und Methoden feministischer Forschung vervielfältigt und den Erkenntnisgewinn erhöht zu haben. Der Begriff Intersektionalität wurde, wie alle Begriffe, gemacht. Als Substantiv ist er Substanz. Ihm ist ein privilegierter Ort zugewiesen worden. Er hat Macht. Er ist essentiell. Er befindet sich in einer weißen und gesunden Position. Er wird nicht hinterfragt. Er schließt aus. Er historisiert. Er wird zum Narrativ. Ich frage also: was sind seine Vorannahmen? Wie konnte er hergestellt werden? Wie konnte er so stark werden. Wieso wirkt er so natürlich und wirklich, wie ein Brotmesser, eine Katze oder eine Zahnbürste? Wieso erscheint er so übermächtig, dass ich ihn nicht mehr ansprechen mag, mir sein Name entfällt, ich nur Gutes über ihn sagen darf? Ich sage: die Herstellung selbst ist es, die anzuprangern ist. Sie ist diskriminierend, was ich nun begründen werde.

3.1 Die Vereinfachung des Unterscheidens

Die angebliche Vermehrung der Gegenstände und Methoden feministischer Forschung entstand durch die Beschränkung auf folgende Grundbegriffe: Genderismus, Sexismus, Rassismus, Ableismus, Klassismus. Diese werden nicht nur als allgemeingültig angenommen, sondern auch als fähig erachtet, Diskriminierung zu analysieren, indem sie das Diskriminierungsphänomen in diese fünf Formen trennt. Durch diese machtvolle Setzung, wurden sie paradoxer Weise der Wahrnehmung entzogen, denn wenn etwas mächtig ist, wird es unsichtbar. Außerdem sind sie Substantive und damit substantiell. Sie werden unhinterfragbar. Doch wenn diese fünf Kriterien zur Analyse der Abwertung von Menschen herangezogen werden, können sie nicht mehr zusammen gedacht werden. Die Abwertung von Menschen wird nacheinander mittels einer dieser Kriterien  analysiert, woraus folgt, dass zum Beispiel der Sexismus unabhängig vom Rassismus untersucht wird.

Eine weiße Frau wird abgewertet, weil sei als Frau bezeichnet wird. Eine schwarze Frau wird abgewertet, weil sie als Frau und als schwarz bezeichnet wird. Man müsste den Genderismus (in der Hornheidtschen Bedeutung, Anm. d. Ü.) und den Rassismus zusammennehmen, um zu beschreiben, was mit einem Menschen passiert, dem die Attribute schwarz und Frau zugewiesen werden. Genderismus wird durch Rassismus beeinflusst und umgekehrt, was bedeutet, dass ein weißer Mensch und ein schwarzer Mensch, die als Frauen bezeichnet werden, unterschiedlich genderistisch diskriminiert sind. Der Sexismus (Abwertung eines biologischen Geschlechts) gegenüber einer weißen Frau, hat eine andere Färbung als der Sexismus gegenüber einer schwarzen Frau. Die Idee, gender studies betreiben zu können, in denen Genderismus (Abwertung eines sozialen Geschlechts) studiert wird und erst nachträglich Rassismus (Abwertung einer Gruppe mit ähnlichen, aber beliebigen Eigenschaften)  oder Ableismus (Abwertung des Ungesunden) hinzugefügt wird, ist falsch.

Der Begriff Intersektionalität ist ein Substantiv und wird so zur Substanz. Er konnte in einem privilegierten Umfeld entstehen. Er wird zur Norm erhoben. Er ist institutionalisiert. Er ist hegemonial. Er ist übermächtig in seiner Behauptung der Trennbarkeit von Diskriminierungsformen. Erst wird die Trennbarkeit gedacht und dann durch politische Macht strategisch eingeführt von weißen und Krankheit abwertenden Personen. Und sie machen immer weiter. Sie reproduzieren ihn ohne Unterlass. Die weiße und Krankheit ablehnende Perspektive wird zum Fels in der Brandung, unhinterfragbar. Jetzt sind nur noch Äußerungen, die von weißen und Krankheit abwertenden Personen gemacht werden, legitim. Noch einmal: Intersektionalität bedeutet, die Verbindung zwischen den fünf oben genannten Diskriminierungsformen zu übersehen. Nur wer deren Wechselbezüge übersieht, kann die Meinung vertreten, die Trennung führe zur Vervielfältigung der Perspektive.

Die vermeintliche Vervielfältigung entpuppt sich als Vereinfachung. Als das genaue Gegenteil! Damit ist auch die Kategorie gender als ein Mittel zur Vereinfachung entlarvt. Angeblich soll sie voller Wechselbezüge sein. Doch sie ist es nicht, denn die vorgetäuschte Vervielfältigung durch den Begriff Intersektionalität, ist in Wahrheit der Versuch, die Einfachheit von gender zu vertuschen. Die Einfachheit der Intersektionalität verbindet sich mit der Einfachheit des gender und wird zur Norm für seine Erforschung. Durch die rein quantitative Menge der Diskriminierungsformen wird den Menschen vorgegaukelt, nun sei auch das Konzept von gender hinreichend differenziert in Augenschein genommen.

3.2 Intersektionalität als Mittel, um die Objektivität des Begriffs gender vorzutäuschen

Ist eine Konzeption von gender ohne Intersektionalität überhaupt noch möglich? Und wenn nicht, muss man nicht sagen, dass der Begriff gender mittlerweile eine hegemoniale und institutionalisierte Normierung durch weiße und Krankheit abwertende Personen ist? Intersektionalität täuscht Differenziertheit vor, indem sie zum Beispiel soziale Kriterien mit einbringt. In Wirklichkeit überdeckt sie nur die privilegierte Sichtweise von weißen und Krankheit abwertenden Forschern.

Sie wollen nur ihre interessengeleitete und privilegierte Position innerhalb der Gesellschaft verdecken. Dies ist unredlich. Sie müssten ihre Position deutlich machen und kritisieren und zugeben, dass sie privilegiert und eben nicht komplexen strukturellen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Sie würden damit sozialkritisch, weil sie die Diskriminierung unterpriviligierter Menschen wahrnehmen könnten, die sich von der eigenen grundlegend unterscheidet! Aber was machen sie? Sie verheimlichen ihre privilegierte Position in der Gesellschaft, indem sie ein universalistisches Konzept von gender vorlegen, das für alle Mensch gelten soll, aber in Wirklichkeit nur für sie gilt. Dieses Konzept erheben sie zur Norm und entziehen sich dadurch der Kritik und Selbstkritik.

3.3 Intersektionalität als Unsichtbarmachung eines genormten Frauenbildes

Intersektionalität ist der akademische Versuch, das Übersehen der Wechselbezüge zwischen den fünf Diskriminierungsformen zu verschleiern. Außerdem soll durch eine festgelegte Anzahl von Diskriminierungskriterien weitere soziale Kategorien ausgeschlossen werden, die aber erst das unendliche Meer von Diskriminierungsphänomenen der Forschung zugänglich machen würden.

Hinter dieser Verschleierungstaktik hat sich ein neuer mächtiger Fels in der Brandung gebildet: die Kategorie „Frau“. Gegenüber dieser Kategorie verblassen alle anderen sozialen Kategorien. Jahrelang  wurden die Wechselbezüge zwischen Genderismus, Rassismus und die Abwertung von Krankheit ignoriert. Stattdessen wurde ein einheitliches Bild von einer Frau gepflegt: weiß und gesund. Damit sind gender studies rassistisch und werten Krankheit ab. Dies ist nicht feministisch!

Der Wechselbezug zwischen Rassismus, Sexismus und die Abwertung des Nichtgesunden muss Ausgangspunkt sein. Es reicht nicht, nur vom Sexismus als solchen, nämlich dem zwischen Frau und Mann, auszugehen. Sexismus darf nicht getrennt werden von Rassismus, Diskriminierung der soziale Herkunft und der Abwertung des Nichtgesunden. Genau dies wird trotzdem von einer weißen, gesunden und akademischen Schicht gemacht. Diese Schicht übersieht die Wechselbezüge zwischen Genderismus, Rassismus und Abwertung des Nichtgesunden und setzt ihr Weißes und Gesundes als Norm. Der Begriff Intersektionalität verstärkt die verschleierte Normsetzung der Weißen und Gesunden. Er bestätigt diese Normsetzung wieder und wieder.

Abwertung aufgrund der Rasse, Abwertung des Nichtgesunden, Abwertung von Immigranten und Abwertung der sozialen Herkunft werden zu Aspekten degradiert, die wahlweise mit Genderismus oder Sexismus zusammengehen. Wahlweise! Das stimmt doch nicht! Alle die genannten Abwertungen beeinflussen doch den Genderismus (= Zuordnung des sozialen Geschlechts zum Zwecke der Diskriminierung)!

Sie beeinflussen immer und überall, egal in welchem Zusammenhang, mit welcher Fragestellung und mit welchem Erkenntnisinteresse. Es stimmt eben nicht, dass die Abwertung des Nichtgesunden unabhängig von der Abwertung des sozialen Geschlechts „Frau“ vor sich geht. Diese Annahme funktioniert nur, wenn vorher der Gegenstand der Untersuchung entgendert wird, also von der Abwertung des sozialen Geschlechts „Frau“ abgesehen wird. Wenn ich gegen die Abwertung des Nichtgesunden angehen will, dann MUSS ich die Abwertung des sozialen Geschlechts „Frau“ dabei berücksichtigen, egal wie unsichtbar und versteckt sie sein mag. Nur wer

weiß, gesund, akademisch und weiß, vorgeblich nichtgläubig, häufig männlich, gesund (Wiederholungen stehen im Text, Anm. d. Ü.) und damit umfassend privilegiert in den westeuropäischen Gesellschaften

ist, hat das alleinige Rederecht. Nur so konnte die Intersektionalität allgemeingültig hingestellt werden. Nur so konnte Intersektionalität als Differenzierung verkauft werden. Aber in Wirklichkeit wurden die Unterscheidungsmöglichkeiten reduziert. Dies kann aber nicht hinterfragt werden, weil es eben als normal erscheint, als Fels in der Brandung. Diese Vorstellung von Intersektionalität haben

weiße, gesunde, weiße, vorgeblich nichtgläubige, häufig männliche, gesunde und damit umfassend in den westeuropäischen Gesellschaften privilegierte Menschen (Wiederholungen stehen im Originaltext, Anm. d. Ü.)

eingeführt. Sie feiern die Intersektionalität und bestätigen sie damit wieder und wieder. Sie bestätigen immer wieder ihre eigene verschleierte soziale Privilegiertheit. Es ist zum Verzweifeln, denn es geht doch darum, das Wissen über strukturelle Abwertung als solche zu vervielfältigen. Dazu muss man doch sagen, ob man selbst, der dieses Wissen produziert, privilegiert ist! Sieht das denn keiner?

Das Vervielfältigen des Wissens über Underdogs gibt es, aber eben nicht für die Privilegierten. Doch Identitäten bilden sich nicht nur in den Armenvierteln, sondern auch in bürgerlichen Kreisen. Auch hier bildet sich die Identität eines Menschen durch die Überschneidung von gesellschaftlichen Mächten. Anstatt also die eigene privilegierte Position auszublenden, sollte man sie sogar übersteigen: der Ausgangspunkt sollte eine ungesunde getranschte (= das Geschlecht transzendierende) Schwarze genommen werden. Sie sollte das Maß jeglicher Forschung zu Diskriminierung sein und nicht die eigene gesellschaftliche, universal und zentral geltende Privilegiertheit, eine Privilegiertheit, die für alle anderen unterdrückten Menschen stehen soll. Da reicht es nicht, wenn nachträglich ein paar Diskriminierungsfaktoren hinzugefügt werden, um Differenzierung vorzutäuschen.

3.4 Intersektionalität als Vortäuschung eines universal geltenden Wissens

Intersektionalität wird in den deutschen gender studies als ein Konzept schwarzer weiblicher Feministen dargestellt. Doch dies dient nur der Verschleierung der Privilegiertheit weißer gesunder Menschen. Außerdem vereinfacht es vielfältige und vielschichtige Debatten schwarzer weiblicher Feministen aus den unterschiedlichsten Ländern.

Es werden lediglich exemplarisch einige nordamerikanische Stimmen gehört,  die jedoch zu exotisch seien, um auf deutsche Verhältnisse übertragen zu werden. Mit der These, dass Intersektionalität ihren Ursprung bei schwarzen weiblichen Feministen hat, werden ähnliche Ansätze deutscher Feministen ausgeblendet. Auch hier wurde schon früh auf Diskriminierungen innerhalb der gender studies aufmerksam gemacht.

Es gibt eine Prolo-Lesbenbewegung, eine Anti-Psychiatrie-Lesbenbewegung, schwarze und jüdische Frauen-Lesbentreffen, die Zeitschriften „Feministische Beiträge zur Theorie und Praxis“, „Ihrsinn“ und „Lesbenstich“, sowie Dokumentationen von Lesbenfrühlingstreffen aus den 80er Jahren. Es gibt Immigranten, die dem Genderismus zum Opfer fallen, getranschte Schwarze und  Veranstaltungen, die Diskriminierung vielschichtig und differenziert ausdrücken. Doch dies haben vor allem

weiße, weiße, vorgeblich nichtgläubige, häufig männliche, gesunde und damit umfassend in den westeuropäischen Gesellschaften privilegierte akademische Menschen (Wiederholungen stehen im Originaltext, Anm. d. Ü.)

ignoriert. Dieses unglaublich starke Investment jener Randgruppen gegen die Norm

weißer, weißer, vorgeblich nichtgläubiger, häufig männlicher, gesunder und damit umfassend in den westeuropäischen Gesellschaften privilegierter, gesunder, feministischer aus der Mittelschicht stammender Menschen (Wiederholungen stehen im Originaltext, Anm. d. Ü.)

wurde ignoriert, raus geschrieben und nicht berücksichtigt. Es wurde von

weißen, vorgeblich nichtgläubigen, häufig männlichen, gesunden und damit umfassend in den westeuropäischen Gesellschaften privilegierten akademischen Menschen

eine Institutionalisierung von gender studies vorgenommen, die das vielschichtige Wissen jener Randgruppen ausblendet. Gerade nicht wissenschaftliche Publikationen, und Demonstrationen, Partys, Kulturveranstaltungen, sowie Diskussionsrunden werden ignoriert oder zu sterilen Untersuchungsobjekte degradiert. Dieser Ausschluss vollzieht sich über die Auswahl, welche Ausdrucksformen wahrgenommen und welche entwertet werden. Hier sieht man sehr schön die ausschließende Macht von Sprachhandlungen. Die Einführung des Begriffs der Intersektionalität und die Beschränkung seiner Relevanz auf die Forschungssituation schwarzer weiblicher Feministen bedeutet die Vervielfältigung der Vereinfachung (steht so im Text, Anm. d. Ü.) der Betrachtungsweisen und führt zum Ausschluss randständiger Positionen.

3.5 Intersektionalität führt dazu, dass differenziertere Sichtweisen von Betroffenen auf Diskriminierung aus den Institutionen vertrieben werden

Wäre schon seit Jahrzehnten auf die vielschichtigen und widersprüchlichen Stimmen schwarzer und  ungesunder weiblicher Feministen gehört worden und  hätte man sie nicht auf eine Stellvertreterfunktion begrenzt, dann würden diese Stimmen hörbar sein im Rahmen akademischer Milieus, dann wären die Hochschulposten anders besetzt worden und Studiengänge anders formuliert worden. Es hätte keine Intersektionalitätsmodule gegeben, die universalistische Konzepte zu Feminismus oder Frauen beinhalten, welche von

weißen, gesunden, weißen, vorgeblich nichtgläubigen, häufig männlichen, gesunden und damit umfassend in den westeuropäischen Gesellschaften privilegierten Menschen (Wiederholungen stehen im Originaltext, Anm. d. Ü.)

gemacht würden. Es hätte kein Konzept der Intersektionalität, keine gender studies gegeben, sondern anti-diskriminierungs studies. Dann würden andere Fragen gestellt, wie beispielsweise nach den Koalitionen unterschiedlicher Bewegungen gegen Diskriminierungen oder nach der Arbeit mit Differenzen. Dann hätten sich andere Methoden entwickelt, könnten Personen für sich selbst sprechen und handeln. Sie würden nicht einverleibt in einer pseudo-neutralen wissenschaftlichen Forschung, die aus ihnen Objekte macht, welche von jeglichem politischem Bezug abgetrennt sind, Objekte die die Forschung schon lange nicht mehr versteht. Es ist absurd, von Intersektionalität auszugehen, wenn man die Wahrnehmung der vielfältigen Abwertungen von Menschen und das Herausheben der eigenen Verwobenheit in diesen Abwertungen hervorheben will. Das Festhalten am Begriff der Intersektionalität ist eine Strategie

weißer, weißer, vorgeblich nichtgläubiger, häufig männlicher, gesunder und damit umfassend in den westeuropäischen Gesellschaften privilegierter, gesunder, feministischer aus der Mittelschicht stammender Personen (Wiederholungen stehen im Originaltext, Anm. d. Ü.),

um andere Stimmer möglichst wenig auf theoretischer und noch weniger auf der personellen und finanziellen Ebene zu Wort kommen zu lassen. Anders formuliert: der gedankliche, personelle und institutionelle Raum wird für Aktionen gegen Abwertungen, die den Blick auf deren innere Verflochtenheit richten, geschlossen.

Schwarze weibliche Feministen sind  ‚die anderen‘, wodurch die eigene weiße Position in der Forschung einerseits verschleiert und andererseits noch einmal bestätigt wird:

„The problems with a theoretical reliance on black women’s experiences are two-fold. First, while seeking to underscore problems of exclusion within feminist and anti-racist theory, black women are treated as a unitary and monolithic entity. That is, differences between black women, including class and sexuality, are obscured in the service of presenting ‘black women’ as a category that opposes both ‘whites’ and ‘black men’. […] second […] intersectionality recycles black feminism without demonstrating what new tools it brings to black feminism to help it faschion a more complex theory of identity.”

Eine umfassendere Sichtweise, die Wechselbezüge zwischen den Diskriminierungsformen berücksichtigt, würde bedeuten, nicht lediglich abseitige Standpunkte von Personen, die aufgrund ihres sozialen Geschlechts abgewertet werden, zu zitieren. Dadurch werden sie  vergewaltigt und einverleibt, wo und wie es gerade so passt. Und zwar so, dass die eigenen Machtinteressen nicht gefährdet, die eigenen Überzeugungen, wie was veröffentlicht wird usw., nicht herausgefordert werden. Stattdessen sollte man ihnen zuhören, ihnen die Möglichkeit eröffnen, für sich selbst zu sprechen und zwar mit allem, was dazugehört.

Man soll offen sein für neue Frage- und Themenstellungen, neue Methoden, neue Genre- und Lehrformen und eben auch für neue Studiengänge mit veränderten Konzepten zu struktureller Diskriminierung. Aktives Zuhören anstatt schlichtem physischem Zuhören im Sinne von ‚mal nichts sagen‘  ist das Gebot der Stunde. Neue Mittel zur personellen Veränderungen sind zu überlegen und diese Veränderungen muss man zulassen. Es ist Zeit, Macht abzugeben, auch in der Frage von Stellenbesetzungen und inhaltlich-konzeptuellen Veränderungen. Gender studies beanspruchen grundlos Universalität. Dagegen ist zu kämpfen. Ella Shohat und Robert Stam fragen:

„who gets to speak on behalf of the universal? who are its caretakers and regulators? who gets relegated to the merely ‚particular‘?“

Gender studies haben immer schon hegemoniales Wissen von akademischen Männern, die ihr Geschlecht verschleiert haben, subversiv untergraben. Diese Zersetzung müssen sie nun auf sich selbst anwenden und auf ihre eigenen machtvollen Universalisierungen anwenden. Es gibt kein Allgemeines. Es gibt nur einzelnes, konkretes. Nichts ist fest. Nichts wiederholt sich. Nichts gibt es zweimal. Alles fließt und verändert sich. Es existieren keine Universalien! Aber was passiert? Das genaue Gegenteil, nämlich das Festmachen von Universalien. Vornehmlich

weiße, weiße, vorgeblich nichtgläubige, häufig männliche, gesunde und damit umfassend in den westeuropäischen Gesellschaften privilegierte weibliche akademische Forscher (Wiederholungen stehen im Originaltext, Anm. d. Ü.)

verfolgen weiterhin den Intersektionalitätsansatz. Und damit verschleiern sie absichtlich sich als privilegierte Forscher. Sie verschleiern auch ihre Universalisierungen, die sie als

weiße, gesunde, weiße, vorgeblich nichtgläubige, häufig männliche, gesunde und damit umfassend in den westeuropäischen Gesellschaften privilegierte Autoritäten (Wiederholungen stehen im Originaltext, Anm. d. Ü.)

aussprechen.

Dieser Punkt wird von Bobby Noble für die Frage formuliert, wie das Phänomen der Transsexualität  in den gender studies rezipiert wird:

„women’s studies, on its own, is embedded inside the capitalist and colonial educational corporate complex, and without a clear sense of its own historical production, it too duplicates the master’s house (the problematic of modernity’s temporalities and identity formation as its effect).”

Inwiefern, so frage ich, finden exotische Konzepte von gender überhaupt Eingang in westeuropäische gender studies? Inwiefern erlauben gender studies eine ganzheitliche Wahrnehmung des Prozesses der Zuweisung von sozialem Geschlecht? Inwiefern steht gender studies für das Übersehen der vielfältigen Wechselbezüge zwischen Diskriminierungsformen? Inwiefern übersieht sie die Machtverhältnisse, die eine Diskriminierung erst ermöglichen?

Die Universalisierungen, die im Begriff Intersektionalität stecken, werden von gender studies verschleiert und damit unhintergehbar gemacht. Es funktioniert nicht, erst die Diskriminierung in fünf Formen zu trennen und sie dann zu hierarchisieren, ihnen also eine unterschiedliche Wichtigkeit beizumessen. Alles ist gleich wichtig! Es darf keine Diskriminierung innerhalb der Diskriminierung geben. Das ist doch ein absoluter Widerspruch!

Weder critical disability studies, welche die sozial konstruierte Beeinträchtigung von Menschen kritisch studieren, noch Anti-Rassismus konnten sich in Studiengängen umsetzen. Doch dies muss jetzt geschehen. Sie müssten entsprechend personell aufgestockt werden. Aber das ganze Geld geht in gender studies, die sich dem Konzept der Intersektionalität verschrieben haben. Auf diese Weise können sie abseitige Standpunkte hinsichtlich Geschlecht oder Politik geschickt einverleiben und mitleidlos kontrollieren.

Die vermeintliche theoretische Ausdifferenzierung mittels Intersektionalität geht hier mit der Sicherung eigener Privilegien in der Akademie einher. Kritik daran wird abgewehrt mit dem Hinweis, dass die Strukturen nicht verändert werden können oder sie wird gleich lächerlich gemacht. Unglaublich, wenn man bedenkt, dass gender studies Strukturen verändern wollten!

3.6 Intersektionalität gliedert den feministischen Kampf in fünf Formen. Damit verliert er seine politische Wirkung.

Die Verwissenschaftlichung von Intersektionalität beschreibt fünf Formen der Unterdrückung. Diese Formen verlieren den Bezug zu den politischen Kämpfen, die damit verbunden sind. Nach Bassichis, Lee und Spade:

„stonewall teaches us, our movements didn’t start out in the courtroom [or at universities; anm. d. autox] but in the streets! informing both the strategies of our movements as well as our everyday decisions about how we live our lives and form our relationships, these radical politics offer queer communities and movements a way out of the murderous politics that are masked as invitations to ‚inclusion‘ and ‚equality‘.”

Die vermeintliche Komplexität durch Intersektionalität führt zur Ausdifferenzierung der gegen Diskriminierung kämpfenden sozialen Gruppen, wodurch der Bezug zu einer gemeinsamen sozialen Bewegung verloren geht. Dies bringen Bassichis et al. (2013) mit der Neoliberalisierung von Politik und Subjektvorstellungen zusammen:

„perhaps one of the most painful features of this period has been the separating of oppressed communities and movements from one another. even though our communities are all overlapping and our struggles for liberation are fundamental linked, the ‚divide and conquer‘ strategy of the ‚new world order‘ has taught us to think of our identities and struggles as separate and competing.”

Die Akteure von gender studies sind Teil des akademischen Systems und glauben, es von innen verändern zu können. Doch sie entpolitisieren die gender studies. Sie setzen sich von randständigen Personen ab, mit denen sie in den Anfängen von gender zusammengearbeitet haben.

Intersektionalität bedeutet die Legitimation des Unpolitischen und die Einverleibung kritischer Stimmen, die diametral zu den aktuellen gender studies stehen. Außerdem brechen die Theoretiker der Intersektionalität ihre Erkenntnisse auf eine verständliche Sprache herunter und behaupten, dass durch diese Vereinfachung Intersektionalität für die Masse erst verständlich wird. Dabei ist es doch umgekehrt!

Das wirkliche Intersektionalitätsverständnis findet auf der Straße statt. Die Akademiker tun jetzt so, als hätten sie das alles erfunden. Nicht mehr die politischen Bewegung der Basis gibt die Richtung vor, sondern die akademischen gender studies stellen diesen Bewegungen Konzepte zur Verfügung mit denen sie erst zu kritischem Reflektieren fähig sein sollen. Auf diese Weise präsentieren sich die gender studies als Urheber des Intersektionalismus und legitimeren sich selbst, indem sie die Geschichte umschreiben. Sie verschleiern die wahre Herkunft der Intersektionalität. Sie präsentieren sich als notwendig für das adäquate Begreifen der Intersektionalität. Sie lösen sich von ihrer ursprünglichen Vernetzung mit den Urhebern des Konzepts des Intersektionalität. Sie autorisieren ihre eigene Forschung, indem sie sie als notwendig für politische Bewegungen darstellen.

3.7 Intersektionalität postuliert, dass nur ein Rechtssubjekt diskriminiert  und diskriminiert werden kann

Crenshaw’s versucht Intersektionalität rechtswissenschaftlich zu fassen.  Er wendet sich von Strukturen ab und beschränkt sich auf Kategorien und Faktorenanalyse. Dieses Konzept hat sich von der ursprünglichen juristischen Perspektive entfernt und wird zunehmend fächerübergreifend angewendet. Diese Erweiterung ist unzulässig.

Es setzt nämlich ein juristisches Subjektverständnis nicht nur für das Feld der Rechtspolitik, sonder weit darüber hinaus als Norm. Als unhinterfragte Norm selbstverständlich. Es ist nicht einmal überprüft worden, ob sein Rechtssubjekt selbst für das enge Feld der Rechtspolitik relevant ist.

Dieses Subjekt ist nicht mehr hinterfragbar. Es sei rechtswissenschaftlich fundiert und dadurch nicht hinterfragbar. Es ist ein Feld in der Brandung, ein Substantiv, substantiell und essentiell. Dieses Verständnis von Subjekt, Recht und das dazu entsprechende Diskriminierungsverständnis findet in allen möglichen Forschungsdisziplinen Anwendung. Recht impliziert ein bestimmtes Subjektverständnis.

Doch dagegen hat der Feminismus mannigfaltige kritische Einwände: ist das Subjekt autonom? Kann es durch soziale Kategorien gekennzeichnet werden? Es müsste doch von struktureller Diskriminierung gekennzeichnet sein! Wir brauchen ein Recht für eine transsexuelle schwarze behinderte Frau und nicht für einen Weltbürger!

Denn diese Strukturen definieren eine Person, geben ihr Identität. Also sind diese Strukturen die logisch notwendigen Rechtskategorien! Außerdem nimmt das aktuelle Rechtssystem einen neutralen Staat an. Das bedeutet, man kann den Staat nicht wegen Diskriminierung anzeigen und auf Schadensersatz verklagen. So könnte man doch einen deutschen Richter auf Schadensersatz verklagen, weil er eine schwarze behinderte lesbische Frau verurteilt hat, was ein unleugbarer Beweis von struktureller Diskriminierung ist. Denn die Identität dieser Person wird durch Strukturen erzeugt, welche vom  Richter aufgerufen und zur Grundlage der Verurteilung gemacht wird.

Die Verschleierung dieses Subjektverständnis führt zu seiner unreflektierten Übernahme in der feministischen Intersektionalitätsforschung. Plötzlich wird die Person, die Gegenstand von Diskriminierung ist, als starke Person, die Intentionen besitzt, wahrgenommen. Dieses Subjektverständnis soll nun nicht länger nur auf die Jurisprudenz beschränkt bleiben, sondern der allgemeine Ausgangspunkt für sozial- und kulturwissenschaftliche Ansätze in den gender studies werden.

Dieses Subjekt soll als Grundlage für die Frage, wie Diskriminierung entstehe und wirke genommen werden. Das führt zu einer Beschränkung auf soziale oder Identitätskategorien. Auf einmal sind Frauen und Männer die Grundlage für Diskriminierung und nicht mehr Strukturen. Diese Kategorien, also Frauen und Männer, sind wie ein Fels in der Brandung, unhinterfragbar, Substantive und damit substantiell, essentiell. Frauen und Männer markieren unhinterfragt die Subjekte, die doch in Wirklichkeit keine Männer und Frauen sind, sondern das Produkt von Strukturen! Sieht das denn keiner? Es gibt keine Frau. Es gibt keinen Mann! Diese Markierungen sollen also Grundlage der Diskriminierung sein? Markierte Subjekte diskriminieren die Markierungen anderer Subjekte? Lächerlich! Man betrachte mal diese Argumentation von einem getranschten Standpunkt. So formuliert Noble:

„if trans as critical mobilities across or as undoing of categorical terrain (again, not to be reduced to the clinical transsexual body) accomplishes its work, especially in women’s studies, then the universality and territorialization of the term ‚woman‘ should be problematized somehow, beyond the additive and tokenistic practice that includes writing ‚women and trans people‘ but making no consequential conceptual, curricular, epistemological nomenclatures or modifications day-to-day- modus operandi transformations of practice. […] doesn’t the gender-panicked imperative to ‚remember the women‘ mark an unequivocal gender fundamentalism, where such fundamentalisms themselves – not unlike those of nationalism, military-state, white-supremacist, or christian, to name only a few – function to ground a feminist imaginary and its methodology of social, moral, and biological coercive normalization? […] trans entities have always been present inside feminist spaces; to make a claim to the contrary would be to fly in the face of at least thirty years of writing and debate about the presence of trans bodies ‚on the front line‘. the degree to which those trans entities remain located within or dislocated from actively renarrated pasts as well as academic and disciplinary communities and their nomenclatures is precisely the stake to be won or lost.”

Mit einem konstruktivistischen Sprachverständnis wird es hingegen möglich, machtvolle Wörter zu hinterfragen. wie die verselbstständigten Substantive, die immer als Substanz verstanden werden:  ‚women‘, ‚gender‘, ‚trans‘  sind alles Substantive.

Damit werden Diskriminierungen zum zweiten „Ich“  von Individuen (‚Ich bin Frau‘). Benennungen durch Adjektive oder Verben hingegen, wie feministisch oder  transchen würden diese essentialisierenden Identitäten abschwächen. Man muss Strukturen als Ausgangspunkt für die Frage nehmen, was Diskriminierung sei und nicht Kategorien wie Mann oder Frau, die nur ein Effekt von diskriminierenden Strukturen sind. Es macht keinen Sinn, soziale Kategorien zu analysieren – für rein rechtliche Überlegungen mag dies vielleicht Sinn machen. Die Übernahme des Subjektverständnisses aus dem Rechtssystem dient lediglich dazu, Intersektionalität in einer weißen, Krankheit abwertenden gender studies-Landschaft zu hypen. Dann muss man nämlich keine inhaltlichen und personellen Konsequenzen für die  eigene weiße Krankheit abwertende Forschungsposition ziehen.

Das Konzept der Intersektionalität soll angeblich so erfolgreich gewesen sein, weil es zugleich anschaulich und abstrakt sei. Ich sage aber: es war deswegen erfolgreich, weil es zu den aktuellen Herrschaftsverhältnissen passte, da es Fragen nach dem herrschenden Subjektverständnisses, nach den wirklichen Gründen von Diskriminierungen und sozialer Ungleichheit und nach der unheilvollen Verbindung der soziale Position des Forschenden mit dem Wissen, das er produziert, gar nicht erst stellt.

 „for those working on critical race and coloniality, moreover, a ‚point of view‘ is not a merley subjective issue of psychology; it is a social/epistemological vantage point within social space and historical time.“ (stam/shohat 2012: 112)

Das bedeutet, dass die Forschung sich personell ausdifferenzieren muss und nicht angepasste Standpunkte zu Wort kommen lassen muss, will sie ein möglichst objektives Wissen erreichen und nicht nur eine unpolitische Vereinnahmung nicht angepassten Wissens sein.

3.8 Intersektionalität reduziert Genderismus auf zwei soziale Geschlechter

Intersektionalität bedeutet, dass die Differenzierung von Diskriminierung reduziert wird. Die  vorgegeben Formen: Genderismus, Rassismus, Abwertung des Kranken und Abwertung der sozialen Herkunft können nicht mehr so ausdifferenziert werden, wie sie es eigentlich müssten. Solche Differenzierungen, also zum Beispiel innerhalb von Rassismus, werden weniger sichtbar, weil Genderismus, Rassismus, usw.  so dominant, hegemonial und wie Felsen in der Brandung sind.

Nach dem Konzept der Intersektionalität soll nur noch zwischen den  Formen Genderismus, Rassismus, usw. differenziert werden, aber nicht mehr innerhalb dieser Formen. Diese Formen erscheinen  selbsterklärend und unhintergehbar. Wir müssen sie aber weiter ausdifferenzieren. Dringend. Wir müssen schauen wie sich noch weitere Diskriminierungen innerhalb zum Beispiel des Genderismus finden lassen und vor allem, wie sie sich gegenseitig beeinflussen. Diese neuen Diskriminierungen bilden auch immer neue soziale Positionen.

Wir müssen der Reduzierung der Differenzierung im Genderismus entgegenwirken. Wir schauen bisher hauptsächlich darauf wie Männer oder Frauen sozialisiert werden. Damit werden aber diese beiden genderungen naturalisiert. Man könnte von einer Strategie der Naturalisierung dieser beiden gedrungen sprechen. Dagegen müssen wir angehen. Wir müssen diese nur vorgetäuschte Vervielfältigung des Konzepts gender durch Kategorien wie Rasse und Klasse wieder rückgängig machen! Wir müssen uns gender vornehmen und richtig ausdifferenzieren.Viel mehr, als bisher.

Im Artikel von Knapp werden Frauen und Männer als Ausgangspunkt genommen. Sie sind dort der Fokus und die Norm von feministischer Analyse. Da wird partout nicht getranscht, schlimmer noch: transchen wird aus dem Fokus genommen und wird damit unvorstellbar und die Zweigenderung (Mann und Frau) nicht hinterfragbar, unhinterfragbar, zum Fels in der Brandung.

 „despite our best scholarly and epistemological efforts, the power relations that characterize any historically embedded society and social formation are never as transparently clear as the names we give to them imply. power, social formations, and something gordon identifies as complex personhood will always exist in excess of our nominalisms. as such, what remains excluded, unnamed, and nonreckoned with haunts as a present absence of trans bodies with histories in excess of a binarized gender truth regime.” (noble 2012, 54)

Eine Fokussierung auf Intersektionalität führt also gleichzeitig zu einer Verschleierung vielfältiger Vervielfältigungen in der Forschung. Dabei gibt es so wunderbare Ausdifferenzierungen: andro-, zwei-, repro-, cis-, hetero- und kategorialgenderung. Wir müssen uns auf getranschte Positionen fokussieren, nicht auf Intersektionalität! Wie müssen alle natürlich erscheinenden Identitäten ver_orten, ihnen ihren natürlichen Ort nehmen, sie transchen, hinterfragen und kritisieren. Wir müssen endlich von dieser Aufteilung in Mann und Frau wegkommen. Ist das denn so schwer? Mein Gott.

Transchen zersetzt gender und nimmt die Zweigenderung (Mann und Frau) raus. In Diskussionen um Intersektionalität wird Zweigenderung als unhintergehbar, als Norm, als Substanz, als Fels in der Brandung gesetzt und dann künstlich mit Rassismus, Sexismus und Abwertung von Krankheit kombiniert. Aber Grundlage bleibt die verdammte Zweigenderung. Sie ist die Norm, das Modell. Vielleicht ist diese unsägliche Zweigenderung unter der Intersektionalitätsperspektive noch mehr zum Fels in der Brandung geworden, als sie es ohnehin schon war. Wenn sich der Fokus nur auf die Analyse und Ausdifferenzierung von Zweigenderung richtet, dann gerät die Naturalisierung, das Werden zum Fels in der Brandung, das Essentialisierende, das Substanzialisierende, das Unhinterfragbarmachende der Zweigenderung aus dem Blick.

4. Neuausrichtung der gender studies

Ich kritisiere Intersektionalität unter dem Aspekt der Sprache. Die im Rahmen der Intersektionalität verwendete Sprache zementiert Normen, wie die Zweigenderung. Sie hat die Normung geschickt in das Intersektionalitätskonzept integriert und durch die Verwendung dieses Konzeptes werden diese Normen bestätigt. Intersektionalität ist nur eine Krücke, ein mehr schlecht als recht angepapptes Modell, das die gender studies zeitgemäß machen sollen. Doch was schlage ich vor? Was promote ich? Welche Aktivitäten schweben mir vor? Welche Visionen habe ich? Wie lauten die Konsequenzen meiner obigen Analyse? Von welchem Traum lasse ich meine Kritik an mir als privilegiertem deutschem Professor in gender studies leiten?

Ich gründe meine Kritik auf viele Überlegungen und Reflexionen. Ich begründe meine Kritik mit meinem Begehren nach neuen Formen der Anti-Diskriminierungspolitik. Wenn ich Intersektionalität in Frage stelle, dann öffnen sich für mich für eine Vielzahl von Perspektiven und Wahrnehmungen. Erst dann bin ich in der Lage, den verengten Blick meiner wissenschaftlichen Arbeit und meines wissenschaftlichen Handelns als das zu sehen was er ist:  eine unhinterfragte Perspektive, ein Fels in der Brandung, unhintergehbar und unrettbar verstrickt mit den gender studies und durch sie hindurch schädliche Wirkung entfaltend. Wenn ich das begreife, kann ich nach Zielen, nach Visionen, nach gesellschaftlichen Veränderungen, nach Politik, nach communities, nach Vernetzungen, nach Ausrichtung von Forschung fragen. Ich präsentiere jetzt einiger meiner Ideen, wie die gender studies verändert werden müssen und anschließend lege ich meine Visionen für viel weitergehende Veränderungen dar.

Zuerst muss natürlich die Intersektionalität weiter ausdifferenziert werden. Statt von Intersektionalität, muss vom Konzept der gegenseitigen Abhängigkeit, des gegenseitigen Wechselbezugs ausgegangen werden. Nur dann sind die hochgradig verwobenen Diskriminierungen als Ausdruck einer tiefer liegenden Struktur zu verstehen. Den Ausgangspunkt bei fünf verschiedenen Diskriminierungsformen fest zu machen, gelingt nur, wenn man glaubt, die Diskriminierung sei nicht  ganzheitlich von einer Struktur (Sprache) erzeugt (wie es meine Überzeugung ist), sondern aus verschiedenen sozial konstruierten Bestandteilen zusammengesetzt (die aber nur die Symptome der Struktur, d.h. Sprache, sind).

Es ist also klar: die Wissenschaft soll nicht durch Analyse einen einfachen Begriff (z.B. vom gender) weiter ausdifferenzieren, sondern einen differenten Begriff zugrunde legen, der nicht analysierbar ist. Einen Begriff mit einer unüberschaubaren Anzahl von Bestimmungen, einen Begriff der sich niemals auf wenige Bestandteile herunter brechen lässt. Einen Begriff, der ewig unexpliziert bleiben muss, weil eine Untersuchung seiner Bestandteile deren Reduktion bedeuten würde. Einen Begriff, der keine allgemeinen Aussagen zulassen würde, weil seine Bestimmungen multidifferent und ineinander übergehend sind. Kurz: die Wissenschaft soll einen irrationalen Begriff zugrunde legen, denn nur ein solcher ist fähig, die Wirklichkeit, wenn man das Ergebnis von Sprachhandlungen so nennen möchte, zu fassen.

Das ist natürlich ein große Herausforderung für die Frage nach Wahrheit und für das Fragen selbst und für die Frage, was denn nun erforscht werden soll, wenn es keine festen einfachen Bestimmungen mehr geben soll. Trotzdem: diese Art des Vorgehens wäre ein wichtiger Beitrag, um die bestehenden gender studies insoweit zu retten, als die fünf einfachen Merkmale der Diskriminierung (Genderismus, Sexismus, Rassismus, Ableismus, Klassismus) vervielfacht werden.

Dann ist natürlich die Geschichtsklitterung zu beenden, die nur dazu diente, um die weiße Norm unhinterfragbar zu machen. Wir müssen genau hinschauen, wo Diskriminierung entsteht, wer davon betroffen ist, wer dagegen aufbegehrt, wie er das tut, wie er das nicht tut. All die marginalisierten Stimmen, die die wirkliche Geschichte der Intersektionalität darstellen, müssen zu Gehör kommen. Alles muss zu Sprache kommen: neue Konzepte, nicht-wissenschaftliche Genres, fremdartige Formen politischen Wissens, Theaterproduktionen, Filmreihen und Performanceabende. Und vor allem sind die dort Sprechenden als Experten, als Aussprechende der Wahrheit zu nehmen. Dies würde den Blick auf das Diskriminierungsphänomen verändern und den herkömmlichen akademischen Standpunkt in Frage stellen.

Noch einmal: Intersektionalität muss neu gefasst werden, die Wechselbezüge innerhalb der Diskriminierung müssen offen gelegt werden, die Geschichte des Intersektionalismus muss umgeschrieben werden. Es muss geschaut werden, welche Person mit welchem sozialem Hintergrund von der Debatte ausgeschlossen wird, welche Person mit Autorität und Legitimation ihren Standpunkt verkündet und welche nicht. Intersektionalität muss kritisch hinterfragt werden. Wenn man das Konzept der Intersektionalität vertritt, dann will man immer auch die eigenen Normen durchsetzen. Dadurch werden andere Auffassungen ausgeschlossen und die eigene legitimiert.

Die gegenseitige Abhängigkeit und der Wechselbezug zwischen Diskriminierungen hat immer ein Spiegelbild von gegenseitiger Abhängigkeit und  Wechselbezug zwischen Privilegierungen. Das hängt zusammen! Man kann es nicht trennen. Wenn man es trennt, dann werden die Privilegien erstens mächtig und zweitens unsichtbar. Alles hängt zusammen. Alles ist mit allem verwoben. Eine allumfassende Interdependenz!

Wer die umfassende Interdependenz, den umfassenden Wechselbezug, die umfassende gegenseitige Abhängigkeit, die alles umgreifende Matrix leugnet, der macht eine unzulässige Vereinfachung und will nur seine Privilegien, seine Normen durchsetzen. Wenn Intersektionalität als Extra-Modul in den gender studies angeklebt wird, sagt man implizit, dass Intersektionalität nur eine von vielen möglichen Betrachtungsweisen wäre. Das stimmt nicht! Es gibt nur diese. Sie ist die einzig richtige. Alles ist Interdependenz.

Wer das nicht sieht, der will nur seine Normen universalisieren. Er will  alles vereinfachen und zur Zweigenderung zurück und sie verstärken. Nicht nur muss das Diskriminieren anderer Menschen aus dem Blickwinkel  miteinander verwobener Ursachen (Strukturen, Sprachhandlungen) betrachtet werden, sondern dieser Blick muss sich auch auf den Forscher selbst richten. Er kann erst dann verantwortlich handeln, wenn er sein Diskriminieren identifiziert. Das ist sehr wichtig, dass das verstanden wird.

Was kann ich fragen? Was beforschen? Was ist übergriffig? Wo neutralisiere ich mich? Wie höre ich zu? Wo höre ich zu? Mit welcher Positionierung? Mit der Positionierung einer weißen, vermögenden Mittelschicht-Universitätsprofessorin? Könnte ich einem Männerrechtler diskriminierungsfrei begegnen? (letzte Frage von mir, Anm. d. Ü.).

Wie können alle für sich selbst sprechen? Inwiefern bedeutet dieser Blick auf die gegenseitigen Abhängigkeiten,  dass die eigene Hochschulpolitik, die eigene Position, die eigene Institution in Frage gestellt, verändert wird? Wie kann man es verständlich machen, dass nicht nur ein paar Leselisten rausgeworfen oder ein paar Module angefügt werden müssen? Wie müssen noch selbstreflexiver werden! Wir müssen die gender studies komplett durchreflektieren.

Vielleicht können wir dann Schritt für Schritt, erst über die konzeptuelle Ebene (anti-genderismus statt gender studies), dann über eine grundlegende Ebene (anti-diskriminierungsstudies statt gender studies)  und schließlich auf allen Ebenen gleichzeitig den Inhalt, das Personal, das Konzept, die Epistemologie und die Politik von gender studies komplett austauschen.

Es müssen strukturelle Veränderungen her. Vor allem die Personalstruktur bedarf einer kompletten Renovierung. Alles ist veränderbar. Habt keine Angst davor. Wenn man sich diesem notwendigen Wandel entgegenstellt, heißt das nur, dass man auf seine neutrale Forschungsposition pocht. Das ist doch lächerlich. Die gibt es gar nicht. Es gibt keine universale und neutrale Position. So ein Denken ist hochproblematisch! Man braucht eine klare Forschungshaltung, die ihren Standpunkt bei der Forschung berücksichtigt. Forschung ist interessegeleitet. Sie soll von der eigenen Betroffenheit geleitet sein. Allerdings müssen das Interesse und die Betroffenheit korrekt sein. Das ist ja klar.

Was heißt es, in einem akademischen Umfeld Wissen zu erzeugen? Nach meiner Meinung, geht es darum, die Akademie zu verändern. Man muss das Wissen den politischen und kritischen Communities, wie zum Beispiel Transsexuelle, zugänglich zu machen.

Was kann das Ziel akademischen Forschens sein, welche Formen sind geeignet, welche Positionen sinnvoll? Warum das Wissen so formulieren, dass die politischen Communities, wie zum Beispiel Transsexuelle, davon nicht profitieren können? Welchen Wert hat es, wenn sie lediglich Forschungsmaterial für abstrahierende Ideen sind. Welchen Nutzen hat ein Wissen, das jenseits der Akademie überhaupt keine  politischen Effekte hat? Meine Vision wäre eine fortlaufende und grundsätzliche Selbstreflexion, eine Reflexion darüber, was wissenschaftlich sinnvoll und politisch notwendig ist und eine Offenheit, auf vielen verschiedenen Ebenen Veränderungen herbeizuführen. Meine Vision ist, dass es ein getranschtes Community-Haus mit verschiedenen Projekten gibt, daneben ein Haus für Schwarze und PoCs, eines für kranke Menschen usw., mit Brücken und Übergängen, weitere kleine und größere Räumen mit gemeinsamen Treffen und einzelnen Aktionen, mit Fenstern und abschließbaren Türen (staatlich finanzierte Räume zum Kuscheln?, Anm. d. Ü.), mit Parties und kreativen Produktionen, neuen Worten und neuen Konzepten, mit Rückzugsräumen und Begegnungsflächen, mit Raum zur Selbstsorge und zum gemeinsamen Kümmern und Wissenschaft.

Reflektierende Analysen könnten in meiner Vision ein Teil dieser verschiedenen Häuser von jeweils unterschiedlich positionierten Personengruppen sein, auch jeweils mit immer wieder neuen wechselnden Verbindungen, Zusammenarbeiten und Differenzierungen. Wissenschaftliche Analysen könnten so ein Teil politischer Veränderungsbewegungen, politischer kritischer ver_ortungen sein, situiert in soziale politische Bewegungen. Ungefähr so, wie Bassichis et al. (2013) es in Bezug auf interdependente Transpolitiken gegen staatliche Gewalt ausdrücken:

(das folgende Zitat von mir aus dem Englischen übersetzt, Anm. d. Ü.)

“Vielleicht ist das Unmögliche unsere einzige Möglichkeit. Was könnte es bedeuten, die Unmöglichkeit, tatsächlich zu leben und die Unmöglichkeit des politischen Traumes aktiv anzunehmen und in die Tat umzusetzen? Was heißt es, eine Zukunft zu begehren, die wir uns nicht einmal vorstellen können und von der gesagt wird, sie könne niemals existieren? Ich sehe die Abschaffung der Polizei, Gefängnisse, Kerker  und Internierung nicht nur als konkrete Antwort auf Gefangenschaft und auf den Missbrauch, der dort stattfindet, sondern als Infragestellung des Prinzips von Armut, Gewalt, Rassismus, Entfremdung und Isolation, das wir täglich erleben. Diese Aufhebung bedeutet nicht nur, dass wir die Türen gewalttätiger Institutionen schließen, sondern dass wir neue Institutionen, Praktiken und Beziehungen schaffen oder bestehende retten, die das Prinzip der Ganzheit, der Selbstbestimmung und der Veränderung fördern. Jenes Niederreißen ist nicht in einer fernen Zukunft, sondern es geschieht in jedem Moment, wenn wir nein zu den Fallgruben sagen, die uns die herrschende Macht bereitstellt und ja sagen zu den nährenden, erhaltenden, liebenden und pflegenden Möglichkeiten von denen unsere Vorfahren und Freunde geträumt oder die sie umgesetzt haben. Jedes Mal, wenn wir auf frei zugängliche Gesundheitsvorsorge, sichere und hochwertige Erziehung, bedeutungsvolle und sichere Beschäftigung, durch Liebe und Heilung bestimmte Beziehungen und auf unsere Ganzheit bestehen, dann reißen wir das Bestehende nieder, dann heben wir es auf. Diese umfassende Abschaffung des Negativen bedeutet, die Dinge, welche uns unterdrücken, zu zerstören und die Dinge, die uns nähren, aufzubauen. Das Niederreißen des Bestehenden ist die Praxis des Veränderns im Hier und Jetzt und für alle Zeiten.“ (Bassichis et al. 2013: 36f.)

 

Diese Vision unterscheidet sich klar von den aktuellen Tendenzen innerhalb der gender studies. Diese Vision ist für mich Ausgangspunkt und zeigt, was ich eigentlich mache.

Danksagung:

Danke, Lisa Oppenländer, ngubia emily kuria und Anna-Lin Karl, für das Lesen und Kommentieren des Artikels, welches zu wichtiger Verdeutlichung und Veränderung geführt hat. danke, Steff Urgast für Literaturrecherche und Formatierung. Danke an Katharina Walgenbach für Diskussion und Kommentierungen.